München – Am Ende regelt die SPD ihre heikelste Personalie überraschend schnell und überraschend friedlich. Einstimmig hat der Landesvorstand am Sonntagabend Natascha Kohnen zur Spitzenkandidatin bestimmt. Sie wird im Herbst 2018 den CSU-Kandidaten, wer auch immer es sein wird, herausfordern. Ziel: Bayerns erste Ministerpräsidentin zu werden.
Die 50-Jährige aus Neubiberg (Landkreis München) war Favoritin für die Aufgabe, Interesse wurde aber auch anderen nachgesagt – Fraktionschef Markus Rinderspacher zum Beispiel. Der Münchner stellt sich allerdings voll, ohne rhetorische Hintertürchen, hinter Kohnen: Sie habe „große Erfahrung“, kenne die Landespolitik aus dem Effeff, habe Kompetenz und Hartnäckigkeit. Er spricht offen den strategischen Plan hinter der Personalie aus: „Es ist ein bestechender Gedanke, dass wir mit ihr der Herrenriege CSU den denkbar stärksten Kontrast gegenüberstellen – sympathisch, fachkundig und ideenreich, reich an menschlicher Wärme. Und weiblich.“
Tatsächlich will die SPD mit Kohnen eine Art Anti-Söder oder -Seehofer präsentieren. Die längst nicht ausgestandenen Personalquerelen der CSU machen es ja leichter, sich davon abzuheben.
Kohnen steht erst seit Mai an der Spitze der Bayern-SPD. Mit ihrer Wahl hatte die Partei versucht, Aufbruchstimmung in den Verband zu bringen. Zuletzt musste sie allerdings feststellen, dass das bestenfalls ein langfristiger Prozess wird. Die Umfragewerte blieben im Keller, die Bundestagswahl ging mit 15 Prozent und einem desaströsen Ergebnis in der einst roten Stadt München verloren. Es knirscht in der Partei, Kohnen-Kritiker wurden lauter, gleichzeitig laufen an der Basis Versuche, etablierte Abgeordnete in den Aufstellungsversammlungen zu stürzen.
Nun zügig und einmütig mit Kohnens Nominierung zu überraschen – selbst viele Vorstandsmitglieder ahnten vorab nichts –, ist wohl ihr Versuch, das Blatt zu wenden. „Die einstimmige Nominierung überwältigt mich“, sagte sie am Abend. „Ich bin bereit voranzugehen.“ Die offizielle Aufstellung macht der Landesparteitag am 10. März in München. Großer Widerstand droht dort nicht. Auch der Abgeordnete Florian von Brunn, im Rennen um den Landesvorsitz noch schärfster Konkurrent, nennt die Entscheidung „richtig“.
Heute will die Parteispitze weitere Details bekannt geben. Als Schwerpunktthemen für ihre Kampagne sieht Kohnen unter anderem die Wohnungspolitik, die Entlastung von Eltern sowie die Integration. Diese Themenfelder wurden ihr auch in einer internen Studie nahegelegt. Christian Deutschländer