Rottenbuch/Kissing – Sushila Sara Mai erzählt viel und gerne. Hat man sie am Telefon, klingt sanft der bairische Dialekt durch. Unverkennbar: Eine Oberbayerin sitzt da am anderen Ende der Leitung. Stimmt. Mit einem kleinen, aber folgenreichen Merkmal – Sushila Sara Mais Haut ist dunkel, das Haar tiefschwarz. 1978 ist sie in Indien geboren, mit drei Jahren wurde sie von einem bayerischen Ehepaar adoptiert, wuchs in Rottenbuch (Kreis Weilheim-Schongau) auf. Das Fremdsein in Deutschland, das doch ihre Heimat ist, begleitet sie seither.
„,Du sprechen Deutsch?‘, fragt mich wieder jemand in gebrochenem Deutsch, der sich als Deutscher ausgibt. Darauf antworte ich auf Bairisch: ,I scho, aber bei Eana bin i mia do net so sicher. Ko i Eana helfa?‘“, schreibt uns Mai in einem Gastbeitrag, der heute auf unserer Internetseite erscheint. Die mittlerweile in Kissing (Kreis Aichach-Friedberg) lebende Schauspielerin hat sich an unsere Zeitung gewandt, weil sie täglich spürt, wie der Fremdenhass in der Bevölkerung zunimmt. Das macht ihr Angst.
Es sind ja nicht nur menschenverachtende Kommentare im Internet, von Leuten, die sich hinter Pseudonymen sicher fühlen. Immer mehr trauen sich, ihr die hetzerischen Sprüche direkt vor die Füße zu knallen. Einmal beispielsweise, beim „Dinnerkrimi“, bei dem sie mitgespielt hat. Da kam ein Gast von der Toilette, grapschte nach Mai, machte anzügliche Bemerkungen. Kaum wehrte sich die selbstbewusste Bayerin, gingen die Tiraden los: „Lieber Kinder statt Inder!“, grölte er durch den Raum – als man ihn bat, er solle aufhören, entfuhr es ihm: „Ihr werdet sehen, irgendwann kommt die AfD an die Macht, dann wird es euch hier nicht mehr geben!“
Wenn sie das erzählt, weiß man nicht, was sagen – und ertappt sich dabei, solche Episoden als Ausnahme zu werten. Mai lacht lakonisch: „Das ist eine ganz typische Reaktion auf meine Erzählungen – die meisten können sich das nicht vorstellen und wehren ab.“ Aber tatsächlich gebe es nicht einen Tag, an dem Diskriminierung nicht vorkommt – im kleineren (die Leute, die sie im Bus nicht neben sich sitzen lassen) oder größeren Maß (der Schaffner, der ihr unterstellt, sie würde beim Ticketkauf schummeln, mit dem gehässigen Zusatz: „Bei Leuten wie Ihnen kann man ja nicht sicher sein.“).
Mai hat früh gelernt, sich nicht mit körperlicher Kraft, sondern verbal zu wehren. In der Grundschule schlug ein anderes Kind ihren Kopf gegen die Wand, schrie: „Du blöde Schwarze, hau ab!“ Natürlich war da der Wunsch, zurückzuschlagen. Doch ihre Adoptiveltern hatten ihr eingeprägt: Du darfst Gewalt nie mit Gewalt begegnen. Nicht nur der christlichen Werte wegen, auch, weil man im Zweifel sonst noch sie verantwortlich machen würde, nicht den eigentlichen Angreifer.
Ihre Adoptiveltern haben sie stets gestärkt, haben das Mädchen damals aus Mutter Teresas Waisenheim in Kalkutta zu sich nach Bayern geholt. Hier ist ihr Zuhause – in Indien, wo sie vor zehn Jahren bei einer dreimonatigen Rucksacktour auf Spurensuche ging, fühlte sie sich fremd. „Ich lebe die westlichen, christlichen Werte, ich bin dankbar für die Ordnung, für die Sauberkeit bei uns. Dass Deutschland ein reiches Land ist – mich macht es traurig, dass viele das nicht erkennen. Ich bin hier daheim“, sagt sie, mit diesem deutlichen bairischen Einschlag. Dass jemand überrascht ist, wenn er sie nach einem Telefonat persönlich trifft, kann sie verstehen. Ging ihr ja nicht anders – zum Beispiel einmal beim Pizzabestellen. Am anderen Ende der Leitung ein breit sächselnder Kurier, sie hatte sofort ein Bild im Kopf. Und als sie die Tür öffnet? Steht da ein sächselnder Asiate mit der Lieferung in der Hand. Da waren sie beide für einen Moment verdutzt. Und sie kann noch heute herzlich drüber lachen. „Weil Liebe, Offenheit und Humor stärker sind als Hass!“
Auftritte
Am 7. und 8. Dezember kann man Sushila Sara Mai im Einstein Kultur München erleben. Dann trägt sie mit Robert Ludewig, Ulrike Dostal und Erwin Brantl je um 19.30 Uhr Sketche von Gerhard Polt vor. Am 18. März 2018 ist sie in den „Brettlspitzen“ im BR zu sehen.