München – Christian Bindl aus Gilching (Landkreis Starnberg) mag die bayerischen Seen – den Ammersee besonders. Für eine Auszeit fährt der 52-Jährige mit seiner Frau oder seinen Jugendfreunden dort hin: Baden im Sommer, spazieren gehen im Winter. Auszeit für die Seele. „Das geht nur am Sonntag“, sagt er. Unter der Woche sei es schwer, Zeit zu finden.
Bindl ist ein Sprecher der Allianz für den freien Sonntag, ein kirchlich-gewerkschaftliches Bündnis. Der Sonntag ist bedroht. Das sagen nicht nur die Mitglieder – auch Papst Franziskus habe das kürzlich bemängelt. Die Warenhäuser Karstadt und Galeria Kaufhof hatten im Sommer mit einer Kampagne die völlige Abschaffung der Sonntagsruhe des Handles gefordert. Sprich: Läden sollen an 52 Sonntagen im Jahr öffnen dürfen. Die Folge wäre, dass viele Menschen sonntags arbeiten müssten. Das will die Allianz verhindern. Sie startete eine Unterschriftenaktion – erst in Bayern, dann bundesweit. Gestern präsentierte das Bündnis am Königsplatz in München das Ergebnis: über 62 000 Menschen haben für den Schutz des Sonntags eine Petition unterzeichnet.
Es soll ein symbolisches Zeichen gegen eine Kommerzialisierung des Sonntags sein. Es gehe nicht darum, per se die Arbeit am Sonntag zu verbieten, das wolle niemand, sagt Bindl. Viele müssen arbeiten, damit die Gesellschaft funktioniert. Grundsätzlich soll der Sonntag jedoch ein Tag der Ruhe und Selbstbestimmung bleiben.
Unterstützung bekommt die Allianz von Hans-Jürgen Papier. Der ehemalige Präsident des Bundesverfassungsgerichts sagt: „Sonntagsschutz ist Freiheitsschutz. Freiheiten dürfen nur dann beschränkt werden, wenn gewichtige Gründe des Gemeinwohls oder die Wahrung geschützter Belange anderer von gleich hohem Rang wie der verfassungsrechtliche Sonntagsschutz dies erfordern.“ Also, dass Krankenschwestern, Polizisten und Zugführer arbeiten, sei eine akzeptierte und wichtige Aufgabe. Bloße wirtschaftliche Umsatzinteressen von Geschäften genügen laut Papier nicht, um an Sonntagen zu öffnen. Es mache – entgegen der Meinung von Kritikern – durchaus Sinn, auf eine rechtlich verankerte Sonntagskultur zu setzen. „Gerade in der heutigen Zeit mit ihren gewaltigen sozialen, gesellschaftlichen und kulturellen Veränderungen, wird auf die Bewahrung und Durchsetzung der vom Grundgesetz konstituierten Werteordnung gesetzt“, sagt Papier. Grundlage dafür ist ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts von 2009. Darin wurden der Sonntagsschutz gestärkt und Ausnahmen verschärft.
Dass Kommunen diese Ausnahmen ausnutzen, bemängelt die Sonntags-Allianz. So würden vielen Gemeinden rechtliche Vorgaben nicht beachten. Ein Beispiel nennt Erwin Helmer (65), Diözesanpräses der katholischen Arbeitnehmer Bewegung (KAB): Beim Augsburger Turamichele, einem Stadtfest an einem Sonntag im September, hatten jahrelang die Geschäfte der Stadt geöffnet. „Heuer war das anders“, sagt Helmer. Ein Gericht untersagte das.
Auch von einer Verlängerung der Ladenöffnungszeiten in Bayern hält Helmer nichts. Ein Münchner Verein forderte jüngst, die Öffnungszeiten von 20 auf 22 Uhr anzuheben. Seit 2006 können die Länder frei über die Öffnungszeiten entscheiden. Deswegen hat sich die Allianz damals überhaupt gegründet, wie Helmer erklärt.