Greding – Wirtshausbedienungen wissen ja oft am besten Bescheid, was aktuell so los ist. Es ist kurz nach Zwölf, da bekommt Kellnerin Karin von einem älteren AfD-Mitglied das erste Mal die Frage gestellt: Warum denn hier beim Landesparteitag alle von Leberkas reden, wo doch auf der Mittagskarte wie immer Schweinsbraten und Schnitzel stehen. Es ist nicht die letzte solche Frage an diesem Tag.
Ob bei den Bewerbungsreden auf der Bühne im Gredinger Hippodrom oder im Toilettenvorraum, immer wieder geht’s ums Thema Leberkas. Oder genauer: die „Leberkas-Connection“. Das ist ein Gesprächskreis von Franz Bergmüller in seinem Wirtshaus in Unterlaus in Feldkirchen-Westerham, jüngster Termin war am 30. Dezember. Fast alle Kreisvorsitzenden des Bezirks Oberbayern waren da, es wurde beim Leberkasessen unter anderem besprochen, welche Kandidaten für die Vervollständigung des Landesvorstands unterstützt werden könnten. Kritiker halten Bergmüller vor, Klüngel-Methoden einzuführen, wie man sie von der CSU kennen würde.
Zentraler Drehpunkt sind aber weniger die Abstimmungstreffen an sich, sondern die Machtfrage in Oberbayern. Am kommenden Samstag wählt der Bezirk in Ingolstadt einen neuen Vorstand. Bergmüller, vielen in Bayern bekannt als Gegner des Rauchverbots in Gaststätten, hat angekündigt, in die erste Reihe der AfD treten zu wollen. Er fordert den bisherigen Amtsinhaber Florian Jäger aus dem Kreis Fürstenfeldbruck heraus. Da der oberbayerische Bezirk 40 Prozent der gut 4000 bayerischen AfD-Mitglieder fasst, strahlt die Debatte auf den gesamtbayerischen Parteitag aus. So sehr, dass die eigentlichen Themen in den Hintergrund rücken.
Mit Bergmüller und Jäger konkurrieren zwei polarisierende Persönlichkeiten. Bergmüller folgt einem strikt-konservativen Kurs, setzt auf Organisation und Ordnung. „Bei mir kann jeder mitmachen, der vernünftig arbeiten will“, sagt er. „Ich berücksichtige, wer respektvoll und menschlich umgeht.“ Er wolle aus der AfD „eine echte Partei“ machen, sagt Bergmüller. Das heißt: Professionalisierung, weniger Zufall bei der Besetzung von Posten. Für die Wahl des Landesvorstands brauchte die AfD vier volle Tage, die CSU macht so etwas in einem halben.
Jäger schwört dagegen auf die Basisdemokratie. Treffen seien in Ordnung, aber Vorgaben, wer zu wählen sei, inakzeptabel. „Demokratie erfordert auch mal Sitzfleisch.“ Jäger ist ideologisch schwerer einzuschätzen. Gelobt wird er für den Neuaufbau des Bezirks, der nach dem Weggang der Lucke-Leute 2015 brachlag. Kritisiert wird er, oftmals destruktiv zu agieren. Jäger lächelt bei solchen Vorwürfen.
Wie unterschiedlich die beiden Kandidaten sind, zeigt sich auch in der Art, wie sie beim Parteitag Unterstützer gewinnen: Während Jäger den Nachmittag über durch die Tischreihen streift und Hände schüttelt, sitzt Bergmüller auf seinem Platz, einen Ordner mit E-Mails und Briefen vieler AfD-Mitglieder vor sich.
Im Saal wird für beide Stimmung gemacht. Die „Junge Alternative“ hat Zettel verteilt, wirft Bergmüller Hinterzimmerpolitik vor. „Politik ist für uns der Wettbewerb der Ideen, nicht der Wettbewerb der besseren Netzwerke“, heißt es. „Was Herr Bergmüller macht, hat er in der CSU gelernt“, sagt Edeltraud Schwarz, Vorsitzende im Kreisverband Oberbayern Süd-West. Das Gegenargument kommt aus dem Kreis München-Ost: „Wir haben uns nur die Kandidaten angesehen, um sie vorher kennenzulernen“, sagt der Vorsitzende Wilfried Biedermann. „Das ist keine Klüngelei. Am Ende wählt jeder diejenigen, die er mag.“
Die Wahl der Beisitzer ist dann „ein Punktverlust für Bergmüller“, kommentiert jemand. Von den Kandidaten, die beim Leberkas-Treffen favorisiert wurden, schaffen es nur wenige ins Amt. Es werden AfD-Hardliner gewählt: Benjamin Nolte etwa, Teil der „Patriotischen Plattform“, und Georg Hock, bekannt als Björn-Höcke-Fan. Eine Vorentscheidung im Rennen Bergmüller/Jäger ist das aber nicht. Kommende Woche wählen nur die oberbayerischen Mitglieder, alles ist wieder offen. Absprachen hin oder her – dann zählt nur, wer mehr Unterstützer mobilisiert, nach Ingolstadt zu kommen. Beide geben sich siegesgewiss.