Garmisch-Partenkirchen – Oha! Da geht’s zur Sache: ganz schön steil, ganz schön eng und ganz schön schnell! Diese Erkenntnis machten Ursula Arenz, 58, und Frauke Tietz, 45, bei ihrem allerersten Hornschlittenrennen – nicht als Zuschauerinnen, sondern gleich mittendrin im Renngeschehen. Aber nicht, dass den zweien bei der Rennfahrt um den Bayerischen Meistertitel in Garmisch-Partenkirchen mulmig geworden wäre. „Wir sind Geschwindigkeitsjunkies“, sagt Arenz.
Für das Hornschlittenrennen hat sie gut 600 Kilometer Anfahrt aus dem rheinland-pfälzischen Bitzen in Kauf genommen. Und unterwegs in Karlsruhe (Baden-Württemberg) ihre Renngefährtin aufgegabelt. Die beiden Freundinnen sind leidenschaftliche Motorradfahrerinnen und waren oft in den bayerischen Alpen unterwegs – nur nicht auf Kufen. „Es war noch einen Ticken aufregender, als wir es uns vorgestellt hatten“, gibt Arenz zu und lacht. „Oberaffengeil, sensationell gut!“
Einen Kilometer ist die teils nur wenige Meter breite Eispiste lang, mit bis zu 27 Prozent Gefälle. Die Holzschlitten Werdenfelser Bauart, die früher Holz und Heu gemächlich ins Tal transportierten, rauschen mit bis zu 100 Stundenkilometern hinunter. Am vergangenen Dreikönigstag zum 49. Mal, seit das Rennen im Jahr 1970 von ein paar jungen Leuten aus der Region in bierseliger Stimmung spontan ins Leben gerufen wurde. Seither ist es zur Institution gereift – mit überregionalem Ruf. Am Wochenende kamen rund 6000 Zuschauer.
Tietz und Arenz, die bei einem Gewinnspiel unserer Zeitung die beiden Plätze auf dem Schlitten der Brauerei Weihenstephan ergattert hatten, waren noch nicht einmal die Starter mit der längsten Anreise. Neben vielen Teilnehmern aus der Region kommen mehrere Teams aus dem Norden und dem Osten der Republik. Weitestgereist dürfte das Team „Ruhrpottwalze“ sein – eine Männertruppe gesetzteren Alters aus Oberhausen, die dieses Jahr schon zum 9. Mal mit einem selbst gebauten Schlitten angetreten ist. Obwohl es bis in die Garmisch-Partenkirchener Berge 720 Kilometer sind und als Trainingslager im Ruhrgebiet nur die Skihalle Bottrop bleibt.
Einen gewissen Ehrgeiz, das ist klar, bringt jedes Team mit ins Rennen. Doch bei allem Rennfieber ist die Hauptsache, dass alle ihre Gaudi haben. Die zuagroasten Rennsemmeln Ursula Arenz und Frauke Tietz sind deswegen auch gar nicht traurig, dass es am Ende „nur“ auf Platz 54 von 66 hinauslief. „Wir sind nicht Letzte geworden“, sagt Arenz, dankbar für ihre beiden rennerprobten Teammitglieder Felix Keitlinghaus und Peter Hoffmann, die den Schlitten in der Bahn hielten – „sehr souverän“, wie Arenz findet.
Und nicht selbstverständlich – mindestens drei Holzschlitten fielen auf der buckelig-eisigen Strecke komplett auseinander und viele andere stürzten spektakulär. Zwei Starter mussten wegen einer Fuß- und einer Wirbelblessur ins Krankenhaus, schwer verletzte sich aber niemand. Das lässt auch die Veranstalter vom Hornschlittenverein Partenkirchen aufatmen – zumal lange fraglich war, ob der Schnee überhaupt für das Rennen reichen würde. Der Regen hatte die Strecke fast komplett kahlgewaschen. Mehr als 50 Lkw-Ladungen Schnee mussten her, um eine geschlossene Schneedecke zu schaffen.
Beim Rennen flutschte es aber bestens: „D´Unheimlich Feirigen Garmisch“, die Vorjahressieger, unterboten bei ihrem erneuten Triumph mit 1:25,35 Minuten einen 14 Jahre alten Streckenrekord. Eine andere Liga als die der Renn-Neulinge Ursula Arenz und Frauke Tietz (2:08,33). Doch auch sie hat das Rennfieber gepackt. „Wir würden gerne wiederkommen, wenn es irgendwie geht“, sagt Tietz. Dann vielleicht mit einem eigenen Schlitten.