München – Dass das Aufstellen eines Maibaums mit einem renommierten Schulpreis gewürdigt wird, muss Berufsschullehrer Patrick Oberdörfer (39) erst mal erklären. Es ist aber so, dass die Traditionsstangerl auf Schulhöfen nicht sonderlich verbreitet sind, schon gar nicht auf dem Territorium von Förderschulen. Oberdörfer ist Fachlehrer für Bautechnik, Sozialkunde und Sport an der Adolf-Kolping-Berufsschule in München, eine Einrichtung für fast 1500 Schüler zwischen 15 und 21 Jahren, die sonderpädagogischen Förderbedarf haben.
Auf der Idee, die Herstellung eines Maibaums zu einem großen integrativen Schulprojekt zu machen, kam er vor zwei Jahren in der Weihnachtszeit, als er in der Schule den sieben Meter hohen Christbaum sah. Den wollte er weiterverwerten – als Maibaum. Und so geschah es: Ein Dutzend Schüler seiner Berufsvorbereitungsklasse der Fachrichtung Bautechnik – das sind die, die später Maurer, Pflasterer oder Eisenflechter werden – machte sich ans Werk.
Der Schul-Maibaum entstand zunächst am Reißbrett, danach folgte der Praxistest: Entrinden, entasten, lackieren, dann das Anbringen von Piktogrammen, Wappentafeln und einem opulenten Kranz. Besonders schwierig war das Gießen eines Betonfundaments – da waren behördliche Genehmigungen nötig. Bayerisches Brauchtum – in Paragrafen gegossen. Burschenvereine wissen, wovon hier die Rede ist, die Schüler in der Klasse von Patrick Oberdörfer und seiner Kollegen Ulla Braun und Jochen Langer wussten es erst nicht, denn über bayerisches Brauchtum sind die wenigsten Schüler informiert. „Hier sind 50 Nationen vertreten“, sagt Oberdörfer.
Seine Schule fällt überhaupt manchmal etwas aus dem Rahmen. „Unser Schultag fängt damit an, dass man die privaten Probleme beiseite räumt“, berichtet der Lehrer. „Und die Hälfte braucht in der Früh erst mal eine Brotzeit.“ Frühstück zuhause ist nicht überall üblich. Müdigkeit ist ein großes Problem, Aufmerksamkeit auch. „Wir sind für Schüler mit Lernschwierigkeiten da“,sagt der 39-Jährige. Die Gründe sind vielfältig: Mal ADHS, mal massive soziale Probleme, mal neurologische Schädigungen – „der Katalog ist ewig lang“.
Beim ersten Mal wurde der frisch lackierte Maibaum prompt geklaut. „Die Schüler waren stocksauer und haben zwei Stunden nach dem Baum gesucht.“ Vergebens. Dass es in Bayern die Tradition des Maibaumklaus gibt, wusste keiner, aber siehe da: Zwei Lehrer hatten das gute Stück entwendet und gaben es erst nach einer zünftigen Brotzeit wieder her.
Das Maifest war dann Sache von vielen Fachbereichen: Der Zweig der Bäcker stellte die Semmeln, die Metzger die Würste, Floristen banden den Maibaumkranz – fast zwei Drittel aller Schüler war irgendwie in das Projekt der besonderen Berufsschule eingebunden.
Lohn der Mühen ist nun der Deutsche Lehrerpreis. Neben der Adolf-Kolping-Schule in München erhalten ihn heute in Berlin auch vier Lehrer aus Kempten, Rothenburg ob der Tauber, Nürnberg und München.