Als Karl Valentins Zugehfrau Christine nach dem Essen den Tisch abräumte und dabei die benutzten Zahnstocher in den Müll warf, schimpfte der Hausherr: „Da können wir ja nicht reich werden, wenn Sie so mit dem Sach umgehen! Die müssen Sie mit Ata putzen!“ Die brave Zugehfrau schrubbte fortan fleißig die Zahnstocher mit Scheuermittel, bis Valentin sie aufklärte, dass er sie nur tratzen wollte.
Rosemarie Scheitler, die Urenkelin des genialen bayerischen Komikers, erzählt bei ihren Führungen durch das Valentin-Haus in Planegg gerne solche Anekdoten, die ihre 2014 verstorbene Mutter Anneliese Kühn in dem Buch „Mein Opa Karl Valentin“ aufgeschrieben hat. „Meine Mama war neun, als Valentin gestorben ist“, sagt die 53-Jährige. Aber sie konnte sich gut an den oft schrägen Opa erinnern, der ihr zum Schulanfang einen Ranzen aus Holz gebastelt hatte, „mit einem Lederflecken als Deckel und einer selbst gemachten Griffelschachtel drin“.
Seit dem Tod ihrer Mutter hält die Urenkelin die Erinnerung an Valentin am Leben – und setzt die öffentlichen Führungen durch das Planegger Valentin-Haus fort, die Anneliese Kühn 2012 eingeführt hatte. Die Räume im Erdgeschoss des 1920 erbauten, denkmalgeschützten Hauses in der Georgenstraße 2, in denen einst die Mutter lebte, wurden in ein kleines Valentin-Museum verwandelt: Der Komiker spielte 14 Instrumente – und die Besucher können seine Trompete, sein Fagott oder seine Quetschn bewundern. Fotos des Künstlers und des Familienmenschen Valentin, sein Portemonnaie samt Inhalt und seine Drechsel-Arbeiten liegen in den Vitrinen.
Hinter diesen Handwerker-Arbeiten verbirgt sich das Schicksal der letzten Lebensjahre des so genialen wie schwierigen Künstlers: Als Valentins Karriere im Zweiten Weltkrieg zerbröselte und er ab 1941 keine Auftritte mehr bekam, zog er sich frustriert in das Haus in Planegg zurück, das eigentlich nur als Wochenendhäusl gedacht war. In dieser von Depressionen bestimmten Zeit war die kleine Werkstatt, die als Anbau am Planegger Häusl klebt, der große Trost des gelernten Schreiners: „Er verbrachte oft den Großteil des Tages hier“, erzählt die Urenkelin – und drechselte so skurrile Objekte wie einen kaum fingernagelgroßen Kegel, den Rosemarie Scheitler in einem Mini-Glas aufbewahrt hat.
Valentins Werkbank gibt es leider nicht mehr – die Werkstatt ist heute ein Aufenthaltsraum für die Führungen, wo die Besucher ein Glaserl original Valentin-Wein trinken können. Trotzdem: Echte Fans spüren noch die Aura des Ortes, an dem Valentin werkelte. Aus Spaß, um sein Unglück zu vergessen, oder einfach nur, weil das Geld knapp war und er seine gedrechselten Kochlöffel gegen seine Lieblingszigarettenmarke Mokri eintauschen konnte.
„So liebevoll er als Vater und Opa war – wegen seiner Ängste und Depressionen war es für seine Familie nicht immer einfach mit ihm“, sagt die Urenkelin. „Oma wollte Schauspielerin werden und hat in Nürnberg bereits Theater gespielt – aber Valentin hatte so krankhafte Angst, dass ihr dort etwas passiert, dass er sie zwang, zurückzukommen.“ Und die Oma hängte ihre Schauspiel-Karriere an den Nagel – unter Valentins Nachfahren trat so kein Einziger in seine künstlerischen Fußstapfen.
Aber Künstler gingen auch nach Valentins Tod noch ein und aus im Planegger Häuserl: der Clown Charlie Rivel, der ein großer Bewunderer Valentins war, Schorsch Blädel, der schon von der Statur her Valentin nicht unähnlich war. Für Rosemarie Scheitler war der als Gerichtswachtmeister in der TV-Serie „Königlich Bayerisches Amtsgericht“ bekannte Schauspieler immer nur der „Onkel Schorschi“.
Liesl Karlstadt übrigens war „kein gern gesehener Gast“ in Planegg, was wenig verwundert, muss die Liebesbeziehung zur künstlerischen Partnerin für Valentins Ehefrau Gisela doch eine schwere Last gewesen sein. „Meine Uroma ging so gut wie nie zu Valentins Vorstellungen“, erzählt Rosemarie Scheitler. Sie wollte die Nebenbuhlerin nicht auf der Bühne sehen. „Da gab es schon Eifersuchtsdramen. Beide Frauen, Karlstadt wie meine Uroma, haben unter dieser Situation gelitten.“ Aber die Urenkelin ist auch überzeugt, dass Valentin ohne seine Ehefrau Gisela nicht klargekommen wäre: „Sie war eine gstandene, handfeste Hausfrau – die hat er gebraucht.“
Besuch in Valentins Welt
Wenn Sie selbst eintauchen wollen in die private Welt Karl Valentins: Seine Urenkelin freut sich über Anfragen für Führungen durch das Valentin-Haus. Bitte vorher anmelden unter 089/899 792 52 oder per E-Mail unter info@karl-valentin.de