München – Nach langen Berliner Verhandlungsnächten wieder ein Heimspiel, so ein richtiger Wohlfühl-Termin für Ilse Aigner. In den kronleuchtergeschmückten, marmorgepflasterten Ludwig-Erhard-Festsaal ihres Wirtschaftsministeriums hatte sie gestern zur Präsentation der aktuellen Tourismuszahlen geladen. Mit wippenden Füßen am Rednertisch sitzend, verkündete die CSU-Wirtschafts- und Tourismusministerin das sechste Rekordjahr in Folge: 37 Millionen Gästeankünfte und 94 Millionen Übernachtungen verzeichnet die Branche für das Jahr 2017 – eine Steigerung um 4,9 beziehungsweise 3,7 Prozent. Jeder vierte Gast kommt inzwischen aus dem Ausland, mit einem Vorjahresplus von acht Prozent.
Aigners Duzfreunde Angela Inselkammer vom Hotel- und Gaststättenverband (DEHOGA Bayern) sowie Klaus Holetschek vom Heilbäderverband nutzten die Gelegenheit, sich auf die Schultern zu klopfen. „Bayerische Kernkompetenz“ und „Leitökonomie“ – die Branche gibt sich selbstbewusst.
Über 31 Milliarden Euro geben Touristen laut Ministerium jährlich in Bayern aus, 560 000 Menschen leben demnach hierzulande vollständig vom Tourismus. Für Inselkammer und Holetschek der Anlass, vom Staat noch mehr Beistand einzufordern. Damit weitere Rekordjahre folgen können, solle Bayern ein „Kompetenzzentrum Tourismus“ bekommen, das die Staatsregierung zu nachhaltiger Tourismuspolitik beraten soll.
Dazu solle Tourismus den Gemeinden als Pflichtaufgabe aufgetragen werden, um mehr Investitionen vor allem in die Infrastruktur zu ermöglichen. DEHOGA-Bayern-Präsidentin Inselkammer forderte von Aigner zudem Investitionen in Höhe von 60 Millionen Euro gegen das Wirtshaussterben in Bayern – zusätzlich zur aktuellen Kampagne „Zukunft für das bayerische Gastgewerbe“. Ministerin Aigner nahm die Forderungen lächelnd und nickend zur Kenntnis, versprach aber nichts.
Inselkammers Warnung: Vom Boom in der bayerischen Tourismuswirtschaft würden derzeit vor allem die großen Hotels und Restaurantketten profitieren. „Verlierer sind die kleinen Gasthöfe landauf, landab.“ So habe Bayern seit 2006 ein Viertel seiner Schankwirtschaften verloren – 500 Gemeinden hätten gar kein Dorfgasthaus mehr.
Enttäuscht zeigte sich die Verbandspräsidentin von den Steuer- und Arbeitszeitplänen im Berliner Koalitionsvertrag – auch Aigner äußerte dafür Verständnis. Der Hotel- und Gaststättenverband wirbt seit Jahren für flexiblere Arbeitszeiten in der Branche. Dies, so die Argumentation, käme vor allem Familienbetrieben entgegen, die in Bayern 90 Prozent der Gastbetriebe ausmachten. Außerdem wirkten sich die ungleichen Steuersätze auf Essen negativ aus, so Inselkammer weiter. Die Senkung der Mehrwertsteuer für Hotels nannte sie als Vorbild – sie habe Investitionen ermöglicht.
Nun soll die Rekordjagd weitergehen, ließ Ministerin Aigner durchblicken. Im Jahr 2018 wolle man den Schwung des Doppeljubiläums – 100 Jahre Freistaat und 200 Jahre Verfassungsstaat – nutzen, um den „Mythos Bayern“ aufleben zu lassen und für den Bayern-Tourismus zu nutzen.