Der Herr über Karl Valentins geistiges Erbe heißt Gunter Fette und ist Anwalt. Er vertritt die Nachkommen des Künstlers seit fast 50 Jahren und hat mit seinem berühmten Mandanten nicht nur einiges erlebt – er kennt den Komiker wie kaum ein anderer.
-Wie kam es, dass Sie zum Nachlassverwalter von Karl Valentin wurden?
Das begann schon urkomisch. Als ich 1970 als Urheberrechtsanwalt angefangen habe, stand eines Tages ein Pappkarton voll mit ungeordnetem Papier auf meinem Schreibtisch. Mein Senior-Partner sagte: „Da ist der Nachlass von Karl Valentin drinnen, seine Tochter Bertl Böheim hat uns beauftragt, sich darum zu kümmern. Und das machen nun Sie.“ Ich war nicht aus München, deswegen kannte ich Valentin nicht näher. Aber dann hab ich mich in die Sache reingekniet – und Valentin über die Jahre sehr schätzen gelernt. Ich glaube, ich kenne ihn inzwischen ganz gut. Aber es gab und gibt bis heute immer wieder Überraschungen.
-Zum Beispiel?
Die früher wohl am häufigsten gestellte Frage war: „Hat der Valentin mit der Liesl Karlstadt auch was g’habt?“ Das konnte ich nicht wirklich beantworten – bis eines Tages die Schwester von Liesl Karlstadt, Amalie Wellano, mir ein mit rosa Bändchen zusammengebundenes Bündel Briefe überreichte: Herzzerreißende Liebesbriefe von Valentin an seine Liesl, in denen er wie ein Pennäler den Mond und die Sterne angesungen hat. Es gab zwischen den beiden also ein sehr intensives und sehr dramatisches Liebesverhältnis, obwohl Karl Valentin mit der Mutter seiner beiden Töchter verheiratet war.
-Ihre Aufgabe ist es, zu verhindern, dass Valentins Werk missbraucht wird. Was waren denn besonders ärgerliche Beispiele von Valentin-Fledderei?
Schlimm war es, als ein Valentin-Musical geschrieben wurde. Als die uns den Text vorlegten, fanden wir: Das ist ganz fürchterlich, dazu geben wir keinesfalls die Genehmigung. Die haben dann das Musical ohne Valentin-Texte trotzdem gemacht. Es war unsäglich! Als es hier am Gasteig lief, sind die Leute während der Vorstellung rausgegangen. Damit hat sich dieses Ärgernis von selbst erledigt. Und dann gab es mal einen Sex-Shop, der mit dem Valentin-Zitat „Mögen hätt ich schon wollen, aber dürfen hab ich mich nicht getraut“ für einen Dildo geworben hat. Das entbehrte wenigstens nicht einer gewissen Komik. Aber wenn Valentin verhunzt wird, gehe ich auf die Barrikaden und werde richtig grantig!
-Ist Valentin mit seiner Komik reich geworden?
In seinen guten Zeiten hat er ungewöhnlich gut verdient. Zu seiner Filmarbeit wurde berichtet, dass er für einen Kurzfilm 12 000 Reichsmark bekommen hat – damals der Gegenwert eines Einfamilienhauses! Er hat also viel verdient, aber das Geld auch für neue Projekte schnell wieder ausgegeben – und dabei viel in den Sand gesetzt. Am Schluss war er richtig arm, weil er sich mit dem „Panoptikum“ verspekuliert hatte und dabei auch die Ersparnisse von Liesl Karlstadt verloren hat. Das Einzige, was er als sein Besitztum retten konnte, ist das Häusl in Planegg, das er glücklicherweise auf den Namen seiner Frau hatte eintragen lassen. So ist das Häusl der Familie erhalten geblieben bis zum heutigen Tag. In den letzten Kriegsjahren hatte er keine anderen Einnahmequellen mehr als seine Artikel für die Münchner Feldpostbriefe – 70 Mark pro Artikel. Nach Kriegsende hat er in seiner Werkstatt Küchengeräte wie Holzlöffel, Quirls gedrechselt und zu verkaufen versucht. Dabei hat man ihn aber nicht ernst genommen, sondern gemeint, das sei nun wieder ein Spaß von ihm. Auch seine im Herbst 1945 verkündete Idee, auf dem Marienplatz eine Freilichtbühne errichten zu wollen zur Aufführung seines Trauerspiels „Sodom und Gomorra“, fand damals kein Verständnis. Die Menschen wollten frohgemut in die Zukunft blicken und lustig sein. Und grad lustig war es bei Valentin eigentlich ja nie – und bei seinem Ende schon gleich gar nicht.
Interview: Klaus Rimpel