Heimatkolumne

Des derfst laut sagn…

von Redaktion

Manchen Zeitgenossen reicht es offenbar nicht, wenn sie uns etwas mündlich (möglicherweise per Anschnauzen) mitgeteilt haben, sie wollen’s uns unbedingt auch noch geschrieben überreichen. „Des gib i da schriftlich“, drohen sie uns an, aber dabei bleibt es dann. Sind sie zu faul, zu träge, zu lax, um ihre Ankündigung wahrzumachen, oder handelt es sich gar um Analphabeten? Jedenfalls: Auf ihr Schriftliches warten wir noch heute.

Andere wieder ermuntern uns, unsere Meinung gut vernehmlich zu wiederholen. „Des konnst (derfst) laut sagn“, stimmen sie uns zu. Auch wenn wir momentan nicht gerade zum Schreien aufgelegt sind: Sie sind uns bedeutend lieber als jene, die’s uns schriftlich geben wollen. Noch rigoroser sind solche, die ihre Replik sogar mit Schadstoffen anreichern, um unsere Worte zu bestätigen. „Da konnst Gift drauf nehma“, versichern sie uns – und wir glauben es ihnen gerne, sind aber doch vorsichtig genug, es nicht zu tun. Wie aber sollen wir mit Gesprächspartnern umgehen, die auf unsere detaillierten Ausführungen mit „Ja mi hast ghaut“ antworten, obwohl wir die Hand bloß zum Gruß erhoben haben? Oder die unseren Worten nichts anderes als „mich laust der Affe“ entgegenzusetzen wissen, obwohl der nächste Tierpark meilenweit entfernt ist?

Andere malen gar Mord und Totschlag an die Wand mit einem „Ja verreck doch glei oiss!“ Auch zu Tätlichkeiten mit Messer, Schere oder Säge werden wir immer wieder einmal aufgefordert, wenn wir anscheinend das Fassungsvermögen unserer Zuhörer zu sehr strapaziert haben. „Schneid ab“ („Jetzt schneidsd aber ab“) werden wir gedrängt, ohne dass man uns sagt, was es abzuschneiden gilt, vielleicht das Wort oder gar die spitze Zunge? Und was meinen eigentlich jene, die unsere Aussage mit einem „Mach Mais“ begegnen? Sollen wir vielleicht Maiskolben produzieren oder als eine Art Mäuseriche für Mäuschen-Nachwuchs sorgen? Auch jene, die uns mit einem „mach Sachan“ konfrontieren, deuten mit keinem Wörterl an, welche Dienstleistungen sie da von uns erwarten.

Da ist schon ein neutrales „Mensch Meier“, obwohl wir einen ganz anderen Namen haben, oder ein verwundertes „Wasd’ net sagst“ lieber. Obwohl auch letzteres ziemlich unlogisch ist. Nachdem wir wirklich alles bis ins letzte Detail ausgeplaudert haben, behauptet unser Gegenüber, unser Gesagtes sei sozusagen Nichtgesagtes, zu wenig Gesagtes, womöglich sogar Unsägliches. Wer uns indessen mit „Des derf doch net wahr sei“ kommt, ist in Wirklichkeit bloß daran interessiert zu hören, dass er gerade eben die reine, die lautere, die ungeschminkte Wahrheit erfahren hat.

Probleme gäb’s sicher auch mit „Geh weida“ als Zwischenbemerkung zu unserem Palaver, wenn wir nicht aus Erfahrung wüssten, dass damit in der Regel das Gegenteil, nämlich „bleib da und fahre fort“ gemeint ist. Das gleiche gilt auch für „Hör auf!“ Auch das ist zumeist als dringende Bitte zu verstehen, fortzufahren – wiederum nicht mit der Bahn natürlich, sondern mit Worten. Wenn Sie nun, Frau Leserin, Herr Leser, verlangen sollten, dass Ihnen der Maßschneider dies alles schriftlich geben solle, dann möchte er in aller Deutlichkeit sagen, dass er das bereits getan hat. Wenn Sie’s nicht glauben sollten, dann lesen Sie bitte diese ganze Epistel noch einmal von vorne bis hinten!

Maßgeschneidert

Artikel 1 von 11