Mordkommission ermittelt wegen weiterer Fälle

Pfleger tötet seinen Patienten

von Redaktion

Von Johannes Heininger

Ottobrunn – Eigentlich sollte er sie pflegen – doch stattdessen soll Grzegorz Stanislaw Wolsztajn seinen betagten Patienten eine tödliche Dosis Insulin gespritzt haben. Nur um an ihr Erspartes zu kommen.

Die Münchner Staatsanwaltschaft und Polizei veröffentlichten gestern einen Fall, der vor allem Angehörige von Pflegebedürftigen zum Schaudern bringen dürfte: Wolsztajn, 36, Haushaltshilfe aus Polen, wurden sechs Jahre lang in ganz Deutschland Senioren anvertraut. In mindestens fünf Fällen wollte er töten, sind sich die Ermittler sicher. In Ottobrunn (Landkreis München) soll er Mitte Februar einen 87-Jährigen umgebracht haben. Seitdem sitzt Wolsztajn in Haft.

Am Morgen des 12. Februar wählte Wolsztajn noch selbst den Notruf. Er habe den 87-Jährigen aus Ottobrunn leblos im Bett gefunden, berichtete er. Die Ärzte konnten dem Rentner nicht mehr helfen. Ein natürlicher Tod? Der Leichenbeschauer war skeptisch, die Mordkommission nahm die Ermittlungen auf. Noch am selben Tag untersuchten Rechtsmediziner den Toten. Ergebnis: Der Blutzuckerspiegel war extrem niedrig. Außerdem fanden sich auf dem Leichnam Einstichstellen, wie sie etwa Spritzen hinterlassen. Schnell geriet Wolsztajn ins Visier der Ermittler.

Zunächst stritt er alles ab. Bei der nächsten Vernehmung, nur einen Tag später, gab er zu, dem Senior Insulin gespritzt zu haben. Doch für die Verabreichung gab es – auch bei seinen anderen Patienten – aus zweierlei Gründen keine Veranlassung, wie Josef Wimmer, Leiter der Münchner Mordkommission, erklärte: „Die Patienten litten nicht an Diabetes, außerdem hat der Beschuldigte als Haushaltshilfe nicht die Erlaubnis, Medikamente zu verabreichen.“

Für den Polen kam erschwerend hinzu: Bei seiner Durchsuchung fanden Polizisten zwei EC-Karten des Rentners und 1210 Euro Bargeld. Außerdem eine Spritze und mehrere Ampullen mit Insulin. Seitdem sitzt Wolsztajn in Stadelheim. Zu dem weiteren Tatgeschehen schweigt er. Doch der Fall zieht weitere Kreise: Die Ermittler fanden heraus, dass der Pole, der über Agenturen als Haushaltshilfe an Pflegebedürftige vermittelt wurde, in ganz Deutschland aktiv war. Nachweislich hat er mindestens 20 weitere Patienten betreut (siehe Karte).

Bei vier ähnlichen Fällen geht die Kripo von Mordversuchen aus. Auch hier wurde bei den Senioren ein lebensgefährlich niedriger Blutzuckerwert festgestellt, sie überlebten allerdings. In Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen starben zwei Patienten, nachdem Wolsztajn abgereist war. In beiden Fällen wird geprüft, ob ein Zusammenhang besteht. Auch wegen eines Falles in Weilheim ermittelt die Polizei wegen gefährlicher Körperverletzung. In drei Fällen besteht der konkrete Verdacht, dass der 36-Jährige, der in Polen bereits wegen Hehlerei, Diebstahl und Betrug inhaftiert war, auch hier Rentner bestohlen hat. In elf Fällen haben die Angehörigen die Zusammenarbeit mit Grzegorz Wolsztajn vorzeitig beendet. Als Gründe wurden häufig mangelnder Einsatz, aggressives Verhalten oder eine Verschlechterung des Gesundheitszustandes der Pflegebedürftigen genannt.

Die Staatsanwaltschaft will nun herausfinden, wo Wolsztajn noch gearbeitet hat. Oberstaatsanwältin Anne Leiding sprach von einem „besonderen Fall“. Möglicherweise gebe es noch weitere Opfer, die mit viel Glück überlebt haben. Doch auch weitere Morde schließen die Ermittler nicht aus. Exhumierungen seien noch nicht geplant.

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