München – In Bayern ist keine Entspannung bei der Hebammenversorgung in Sicht. „In München ist es besonders brenzlig“, sagt die Chefin des bayerischen Hebammen-Landesverbands, Astrid Giesen. Schon seit 15 Jahren gebe es in der Landeshauptstadt Engpässe bei der Hebammenversorgung. Zehn Prozent der Stellen in den Krankenhäusern seien unbesetzt. Ein großes Problem sei zudem die Wochenbettbetreuung – also Hausbesuche der Hebamme bei Eltern und Baby. Viele Hebammen seien frühzeitig ausgebucht. Im Umland mussten wegen Hebammenmangels auch schon mehrere Geburtsstationen schließen, zuletzt etwa in Weilheim. In Erding konnte die Station erst im November nach monatelanger Pause wieder eröffnet werden.
Das Dilemma: Es werden wieder mehr Kinder geboren – 2016 waren es im Freistaat rund 126 000 Babys und damit so viele wie seit 1998 nicht mehr –, und zugleich beklagt der Hebammenverband, dass die Arbeitsbedingungen für die Geburtshelferinnen immer schlechter werden. Deshalb ziehen sich viele aus der Arbeit im Krankenhaus zurück.
Die Staatsregierung hat mit einem Programm zur Unterstützung der Geburtshilfe reagiert. Dieses stoße bei den Kommunen auf großes Interesse, sagt Gesundheitsministerin Melanie Huml (CSU). „Wir haben bereits zahlreiche Anfragen aus allen Landesteilen dazu bekommen. Das freut mich sehr – und das zeigt auch, wie wichtig dieses Programm ist.“
Ein erster Teil des Förderprogramms soll heuer anlaufen: Landkreise und kreisfreie Städte erhalten für jedes neugeborene Kind eine Förderung von rund 40 Euro. Das Geld sollen die Kommunen in die Verbesserung der Hebammenhilfe bei Geburt und Wochenbettbetreuung investieren. Huml rechnet mit Ausgaben von fünf Millionen Euro jährlich. Der zweite Teil des Programms soll kleinere Kliniken im ländlichen Raum unterstützen, die maximal 800 Geburten im Jahr verzeichnen, um deren Defizit bei der Geburtshilfe auszugleichen. Ab dem nächsten Jahr sollen hierfür 25 Millionen Euro fließen, der Freistaat will bis zu 85 Prozent des Defizits damit ausgleichen.
„Das ist ganz, ganz wichtig“, betont Nicole Lipowsky, die seit 31 Jahren als Hebamme arbeitet, zuletzt lange in der Wolfratshauser Kreisklinik. „Aber es kann nur ein erster Schritt sein.“ Noch wichtiger sei, dass Geburten für die Krankenhäuser rentabel würden. „Eine Geburt ohne Komplikationen wird mit rund 1800 Euro abgerechnet, ein künstliches Kniegelenk bringt das Zehnfache. Eine Geburtshilfe muss einfach zur Grundversorgung einer Klinik gehören“, fordert die 56-Jährige.
Auch der Hebammenverband zeigt sich enttäuscht von der Staatsregierung, weil es in Bayern immer noch keine akademisierte Ausbildung für den Beruf gibt. In anderen Ländern gebe es bereits den Bachelor. Auch der Freistaat müsse endlich die EU-Vorgabe nach einer Akademisierung der Berufsausbildung umsetzen, sagte Giesen. Das sei umso enttäuschender, da in Bayern genug Geld vorhanden wäre.
Ministerin Huml betonte, sie halte „die Forderung nach einer Akademisierung der Hebammenausbildung für sehr sinnvoll“. Allerdings sei der Bund zuständig für die berufsrechtlichen Regelungen. Und solange die nicht geändert seien, könnten die Hochschulen keine konkreten Pläne machen. Bayern werde sich dafür einsetzen, die Voraussetzungen für eine akademisierte Ausbildung im Bund schnell zu schaffen.
Der Hebammenmangel sei Teil eines gesamtgesellschaftlichen Problems, sagte Giesen. Soziale Berufe hätten den Anschluss verloren – in der Wirtschaft werde deutlich besser bezahlt. „Deshalb gehen die Menschen aus den Berufen raus.“ Auch die Wertschätzung sei gering. Hier müsse die Politik ansetzen.