-Grüß Gott, Frau Zeisig.
-Grüß Gott, Frau Habermann. Sagns’, haben Sie das Schwein dort hinten persönlich gekannt?
-Ich nicht, aber mein Mann. Er hat ja die Sau selber geschlachtet. Nach seiner Erzählung war es ein sehr schönes, ausgewachsenes Tier, nicht zu mager und erst recht nicht zu fett.
-Aber hat es Kreislaufmittel bekommen oder hat man Einstiche von Injektionsnadeln gesehen?
-Nicht dass ich wüsste, Frau Zeisig.
-Und wie steht es mit dem Erzeuger, Frau Habermann?
-Sie meinen den Bauern? Da kann ich Sie beruhigen, Frau Zeisig. Das ist ein ganz junger, moderner Landwirt. Hat sogar die Landwirtschaftsschule mit bestem Erfolg besucht.
-Ein ganz junger, moderner Bauer? Sie jagen mir Angst und Schrecken ein, Frau Habermann! Wenn Sie gesagt hätten, es sei ein alter Ökonomie-Rat, der streng nach den Methoden seines Großvaters wirtschaftet, dann hätte ich jetzt sofort zwei Pfund gekauft. Aber in diesem speziellen Fall kann ich nur ein Pfund nehmen – für meinen Mann. Weil der auf seinen Schweinsbraten absolut nicht verzichten will. Sterben müssen wir alle einmal, sagt er immer.
-Da hat ihr Mann vollkommen recht, Frau Zeisig. Ohne tierisches Eiweiß geht es nun einmal nicht. Das steht immer wieder schwarz auf weiß in der Metzger- und Gastwirtszeitung. Schauns’, ich und mein Mann, wir essen jeden Tag reichlich Fleisch und Wurst, schon aus Geschäftsrücksicht; und seh ich vielleicht schlecht aus?
-Es tut’s schon, Frau Habermann. Aber was soll ich jetzt essen? An Kalbfleisch trau ich mich nicht recht heran. Oder haben Sie eins da mit Expertise?
-Mit was bitte?
-Ich mein mit Lebenslauf und Futternachweis, vom Erzeuger eidesstattlich bestätigt.
-Frau Zeisig, was Sie alles verlangen! Da würde ja ein Pfund Fleisch auf 50 Euro kommen. lch will Ihnen jetzt einmal im Vertrauen etwas von Verbraucher zu Verbraucher sagen: Mir hat mein Frauenarzt sogar Östrogen verschrieben! Jeden Tag muss ich sechs Pillen nehmen. Und da soll das bisschen, das eventuell im Kalbfleisch drin ist, schaden? Einem Kleinkind, ja, das lass ich mir eingehen. Aber unsereins bekommt davon eine schöne Brust und neuen Appetit auf… Na, Sie wissen schon was.
-So? Meinen Sie wirklich? Also, Frau Habermann, wenn das so ist, dann geben Sie mir halt noch ein großes Kalbskotelett und für das Abendessen drei Paar Kalbsbratwürstl.
-Ist recht, Frau Zeisig. Und die Gurgl da, die geb ich Ihnen mit für Ihren Hund. Damit er auch eine Freud hat und seinen Metzgermeister nicht vergisst. So, das tät jetzt genau 23 Euro machen. Dankschön, Frau Zeisig, und auf Wiedersehen, beehren Sie uns bald wieder!
Maßgeschneidert
An dieser Stelle schreibt
unser Turmschreiber