München/Berlin – Die Gewalt an Schulen gegen Lehrer beschränkt sich nach einer Umfrage unter Schulleitern nicht auf Einzelfälle. Nach einer am Mittwoch in Berlin veröffentlichten Forsa-Umfrage gab jeder zweite der 1200 befragten Schulleitern allgemeinbildender Schulen in Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen an, in den vergangenen fünf Jahren Gewalt an seiner Schule erlebt zu haben.
Am häufigsten berichteten die Schulleiter über verbale Bedrohungen, Beschimpfungen und Mobbing: An 48 Prozent der Schulen kam das in den vergangenen fünf Jahren vor. Von körperlichen Angriffen auf Pädagogen berichteten 26 Prozent der Schulleiter. Jede fünfte Schule erlebte Cybermobbing gegen Lehrer über das Internet.
Hochgerechnet seien damit rund 45 000 Lehrkräfte betroffen. Das seien „ganz bestimmt keine Einzelfälle“, sagte der Bundesvorsitzende der Lehrergewerkschaft Verband Bildung und Erziehung (VBE), Udo Beckmann. Der VBE hatte die Umfrage in Auftrag gegeben.
Das Thema „Gewalt gegen Lehrkräfte“ ist laut Studie inzwischen weniger tabuisiert. Demnach gaben nur noch 39 Prozent der Befragten an, es werde verschwiegen; bei einer ähnlichen Befragung von 2016 vertraten noch 57 Prozent diese Überzeugung. In den meisten Fällen gaben die Schulleitungen an, dass es gelungen sei, betroffene Kollegen „ausreichend“ zu unterstützen. Bei 13 Prozent war dies aber laut Auskunft nicht der Fall.
Als Gründe nannten 63 Prozent der Befragten, dass sich betroffene Schüler uneinsichtig gezeigt hätten, und 59 Prozent bemängelten, dass Eltern nicht kooperationswillig gewesen seien.
Jede fünfte Schulleitung gab an, dass Meldungen zu bürokratisch seien oder zu einem Ansehensverlust der Schule führten. Elf Prozent sagten, die Meldung von Vorfällen sei von den Schulbehörden nicht gewünscht.
Der VBE forderte von den Kultusministerien, Statistiken zur Gewalt an Schulen zu führen und die Lehrer stärker zu unterstützen. Angesprochen fühlen dürfte sich auch das bayerische Kultusministerium, das solche Erhebungen nicht anstellt. Hingegen führt das Bayerische Landeskriminalamt Statistiken zu Gewalt an Schulen, unterscheidet aber nicht zwischen Gewalt unter Schülern und Gewalt speziell gegen Lehrer. Die Fälle insgesamt sind – wie auch im Bundestrend – in den vergangenen Jahren wieder angestiegen. 2015 wurden 7200 Fälle registriert, 2016 7816 und 2017 noch einmal 540 Fälle mehr, nämlich 8356. In der Mehrheit sind es sogenannte Rohheitsdelikte und leichtere Fälle von Körperverletzungen, ferner Diebstähle etwa von Fahrrädern. Es gibt allerdings auch gravierendere Delikte: In 77 Fällen wurde gegen das Waffengesetz verstoßen, 536 Fälle waren Rauschgiftdelikte. Auch 154 Sexualdelikte registrierte das LKA. dw/kna