Grünwald – Auf den Tischen der Schüler aus der 7e liegen keine Hefte oder Bücher, sondern Kopfhörer und Tablet-Computer. Die 15 Schüler des Gymnasiums Grünwald (Kreis München) zeigen heute, wie der Unterricht der Zukunft an Bayerns Schulen aussehen soll. An Schwätzen denkt in dieser Stunde keiner. Denn zwischen den Tischen huschen Pressefotografen umher, ein halbes Dutzend Reporter hat die Notizblöcke im Anschlag. Und in einer Ecke des Raums wachen neben der Schuldirektorin Birgit Korda auch noch Grünwalds Bürgermeister Jan Neusiedl und Bayerns Kultusminister Bernd Sibler (beide CSU) über das Unterrichtsgeschehen. Normal ist das nicht.
Der Minister hat in das Grünwalder Gymnasium geladen, um sein persönliches Steckenpferd für den digitalen Unterricht zu präsentieren: Die Online-Lernplattform Mebis, die Schulklassen und ihre Lehrer digital vernetzt. Schüler können dort eingestellte Arbeitsaufgaben sowie Filme oder interaktive Karten abrufen und ihre Arbeitsergebnisse direkt an den Lehrer zurückschicken. „Ich bin ein gutes Stück begeistert“, sagt der Minister über das Portal, das seit 2011 in der Entwicklung ist und das ihm zufolge schon rund 750 000 Schüler an 4300 Schulen im Freistaat nutzen. „Wir haben gute Erfahrungen damit gemacht“, betont Sibler. „Mebis ist in weiten Teilen bereits Alltag geworden.“
In der Grünwalder 7e geht es an diesem Tag um das Thema „Fake News“. Lehrer Florian Ellmann (32) unterrichtet neben Sport und katholischer Religion auch Medienpädagogik. Unbeeindruckt vom Medienauftrieb in seinem Klassenzimmer lotst er seine Schüler durch eine interaktive Unterrichtsstunde mit Faktensammlung und Lernvideo. Schließlich kommt die Probe aufs Exempel: Er schickt ihnen einen Spendenaufruf, der die Schließung des Grünwalder Hallenbads verhindern soll, auf die Tablets. Die Aktion scheint vom Facebook-Portal einer Lokalzeitung zu stammen. „Fake oder News?“, lautet seine Frage.
Über ihre Tablets gebeugt, kommen die Schüler der Fälschung schnell auf die Schliche: „Den Namen der Zeitung schreibt man nicht mit Doppel-R“, hat Alex bemerkt. Einen weiteren Hinweis hat Lena gefunden: Sie hat das Artikelfoto durch eine Bilder-Suchmaschine geschickt. „Das ist nicht in Grünwald, sondern in Bornheim aufgenommen“, sagt sie. Höchstwahrscheinlich also, dass hinter dem angegebenen Spendenkonto Betrüger stecken, die die Lokalzeitung imitieren.
Woran man manipulierte Nachrichten erkennt, haben die Schüler ganz analog auf einem Blatt Papier zusammengetragen. Mit dem Tablet machen sie ein Bild und geben die Aufgabe digital bei Ellmann ab. „Für mich ist Mebis eine Arbeitserleichterung“, sagt der Lehrer. „Und es hat das Unterrichtsspektrum sehr erweitert.“ Wichtig ist ihm: „Ohne Lehrer geht es nicht.“ Auf seinem Monitor am Pult kann er kontrollieren, ob seine Schüler bei der Sache sind oder sich im Internet ablenken. Auch Minister Sibler will sich „von der Begeisterung für die Technik nicht davonreißen lassen“. „King im Ring sind die Lehrer.“
Die Technik soll den Pädagogen nicht täglich oder gar in jeder Unterrichtsstunde, aber zunehmend zur Seite stehen. Im Religionsunterricht kann Lehrer Ellmann seine Schüler auf einer virtuellen Video-Zeitreise durch die Christianisierung Europas schicken („Das macht es anschaulicher.“). In Englisch-Übungen zeigt Mebis direkt an, ob die unregelmäßigen Verben richtig sitzen. Und immer wieder geben sich Lehrer und Schüler über die Plattform wechselseitig Rückmeldung, auch anonym, ob das Klassenklima stimmt.
Schöne neue Online-Welt? Natürlich hat Minister Sibler das kreidefreie, 2014 eingeweihte 61-Millionen-Euro-Vorzeige-Gymnasium Grünwald nicht zufällig ausgesucht, um die Vorwürfe der Opposition zu kontern, der Freistaat verschlafe die digitale Bildung. Drei Computerräume hat die Schule zur Verfügung. Dazu 72 iPads, bald werden es mehr. „Wir haben einen sehr spendablen Sachaufwandsträger“, sagt eine Lehrkraft mit Blick auf den Bürgermeister. Sibler findet: „Eine vorbildliche Schule. Sie soll die Benchmark für andere Schulen sein – zeigen, was möglich ist.“