Im Depot der Staatlichen Münzsammlung lagert viel Notgeld aus Bayern. Seit 1984 arbeitet Dr. Dietrich Klose, 63, für das Institut, inzwischen als leitender Sammlungsdirektor. Er erklärt, wie Notgeld früher funktionierte und warum es selbst heute noch zum Einsatz kommen könnte.
In Kriegs- und Krisenzeiten setzten Staat und Städte immer wieder auf Notgeld. Warum?
Weil es einen Mangel an legalen Zahlungsmitteln gab. Die Leute haben angefangen, ihr Geld zu horten. In Ostdeutschland, nahe der Front, gab es schon kurz nach dem Beginn des Ersten Weltkriegs eine Ausgabe von Notgeld. Da war viel Militär, das Kleingeld war knapp. Als 1923 die Hyperinflation folgte, kam man mit dem Druck der Reichsbanknoten nicht mehr hinterher. Auch da wurde Notgeld gedruckt. Es war immer die Lösung für ein neues Zahlungsmittel.
Hat das Notgeld seinen Zweck erfüllt?
Es hat dem Geldmangel natürlich abgeholfen, aber viele neue Probleme verursacht. Im Herbst 1923 war es besonders krass. Es gab circa 5800 Stellen, die Notgeld ausgeben durften, auch private. In Köln zum Beispiel gab es Scheine der Firma „Rheinisches Industriewerk“, die gab es aber gar nicht. Trotzdem waren die Scheine im Verkehr. Da hat man einfach die Kontrolle verloren. Es gibt Schätzungen, wonach dreimal so viel Notgeld wie Reichsbank-Noten im Umlauf waren.
Damals gab es sogar einen 100-Billionen- Mark-Schein.
Das ist der Schein mit dem höchsten Nennwert. Er kam aber erst nach Überwindung der Inflation heraus.
Wann tauchte Notgeld erstmals auf?
Dafür muss man überlegen, was Notgeld eigentlich ist: ein Substitut für reguläres Geld. Als im Dreißigjährigen Krieg Städte belagert wurden, wurde dort das Geld knapp. Die Städte haben Kirchensilber eingeschmolzen oder Leder geprägt, das war auch Notgeld, das älteste in Deutschland.
In den 1970er-Jahren herrschte in Italien Münzknappheit, regionale Banken gaben eine Art Notgeld heraus. Wäre das heute noch denkbar?
Wenn Geldmangel herrscht, bleibt wohl nichts anderes übrig. Ich glaube nicht, dass die elektronischen Zahlungsmittel das Papier- und Münzgeld der ganzen Bevölkerung ersetzen könnten.
Interview: Christopher Meltzer