München – Es gibt da eine Passage in einer Broschüre der bayerischen Staatsregierung. Darin heißt es: „Unsere Kulturlandschaft hat in den letzten Jahrzehnten einen ungewöhnlich raschen Wandel erlebt. Naturnahe Flächen mussten zunehmend neuen Siedlungen und Verkehrswegen weichen oder haben durch die intensive Landbewirtschaftung an Wert verloren. Damit wandelte sich das vertraute Landschaftsbild: Zahlreiche Pflanzen- und Tierarten sind in vielen Gegenden Bayerns selten geworden oder ganz verschwunden.“ Klingt aktuell? Ist aber eine Erkenntnis aus dem Jahr 1987 – und stand so in der Broschüre „Lebensraum Blumenwiese“ des Umweltministeriums.
Drei Jahrzehnte später streitet die Politik lauter denn je über das Artensterben. Doch wenn es nach Ludwig Hartmann, den Fraktionsvorsitzenden der Landtags-Grünen geht, ist nichts besser geworden. „Die Problematik ist seit Langem bekannt. Und trotzdem steuern wir weiter auf eine Katastrophe zu.“ Mit dem Insektenschwund fehlen die Bestäuber für Pflanzen und die Nahrung für die Vögel. „Unsere heile Welt wird für unsere Enkel eine einsame Welt sein, wenn wir nicht endlich gegensteuern“, sagt Hartmann.
Er belegt das mit einer ganzen Reihe von Zahlen. 54 Prozent der 210 in Bayern beobachteten Brutvogelarten befinden sich in einem „ungünstigen Erhaltungszustand“. 43 Prozent der Libellenarten gelten als gefährdet. Und auch 59 Prozent der verbreiteten Heuschreckenarten stehen auf der Roten Liste. Auch bei den Säugetieren gibt es Sorgenkinder: den Feldhasen zum Beispiel, der unter der intensiven Landwirtschaft und dem zunehmenden Straßenbau leidet.
Mit einem Artenschutz-Gesetz wollen die Grünen nun gegensteuern. „Wir müssen den Artenschwund nicht nur stoppen, sondern den Trend auch umkehren“, mahnt Hartmann. Der Entwurf setzt auf ein ganzes Konvolut an Änderungen in insgesamt sechs Gesetzen – nicht nur im bayerischen Naturschutzgesetz, sondern auch etwa im Wassergesetz, im Waldgesetz oder im Agrarwirtschaftsgesetz. Die Kernanliegen der Grünen: Der Einsatz von Pestiziden und Dünger in der Landwirtschaft müsse drastisch zurückgefahren werden. Die Lebensräume der Wildtiere müssten besser geschützt und ausgebaut werden. Und die Staatsregierung müsse ihre Förderung zielgerichteter gegen das Artensterben ausrichten. Zum Beispiel könnten Landwirte bei der Anschaffung von Maschinen zur mechanischen Bodenbearbeitung unterstützt werden – um so den Pestizideinsatz zu minimieren. Mit finanziellen Anreizen sollten Bauern außerdem dazu bewogen werden, ihre Wiesen nicht so häufig zu mähen und so für mehr Blühflächen zu sorgen. „Wir werden das Problem nicht nur mit der Förderung der Öko-Nische lösen“, sagt Hartmann. „Wir brauchen eine Umweltrevolution.“
In vielen Punkten, etwa beim Schutz von Biotopen und Alleen, geht der Gesetzentwurf in die gleiche Richtung wie das Volksbegehren „Rettet die Bienen“ der ÖDP, das die Grünen unterstützen. Im Volksbegehren geht es allerdings ausschließlich um eine Änderung des Naturschutzgesetzes, zudem haben sich die beiden großen Umweltschutzverbände Bund Naturschutz und Landesbund für Vogelschutz der Initiative wegen inhaltlicher und rechtlicher Mängel nicht angeschlossen. Dort heißt es, diese Probleme müssten international angegangen werden. Doch Ludwig Hartmann ist der Meinung, dass auch auf Landesebene einiges getan werden kann. „Über die bayerischen Biotope entscheidet der Freistaat. Und da fängt die Arbeit an.“