Nach der Flut in Simbach

Vom Hochwasser-Opfer zur Botschafterin

von Redaktion

von aglaja adam

Simbach – Auf den ersten Blick scheint wieder alles gut. Über die Ladentheke der Familie Braumiller in Simbach am Inn wandern täglich Semmeln und Brezen. Der Alltag ist zurück. Dabei ist es nur zwei Jahre her, dass ihre Existenz in Wassermassen unterzugehen drohte. Die große Flutwelle im Juni 2016 erwischte ihre Bäckerei mit voller Wucht.

Der Weg in die Normalität war langwierig und zäh. So zäh wie der Schlamm, in dem sie bis zum Knie steckten an den Tagen nach der Katastrophe. Geschäftsführerin Elke Braumiller, 42, Tochter von Bäckermeister Hans Braumiller, 72, erinnert sich: Tagelang regnete es schon. Der Simbach, der dem Ort seinen Namen gibt, schwoll immer bedrohlicher an. Als am Mittag des 2. Juni die Wassermassen die Straßen überfluteten, ging es schnell. „Es dauerte nur eine halbe Stunde, bis alles zerstört war.“ Mitgerissene Bäume drückten die Ladenfenster ein, das Wasser stand bis im ersten Stock des Gebäudes. Ihre Privatwohnung war ebenfalls verwüstet.

„In den ersten vier Wochen herrschte absoluter Ausnahmezustand“, erzählt Braumiller. An Schlaf war kaum zu denken. Helfer von nah und fern schaufelten Schutt aus den zerstörten Häusern. Es wurde gerettet, was noch zu retten war. „Die Hilfsbereitschaft war enorm“, sagt Braumiller. Irgendwann war das Gröbste beseitigt. Die Betroffenen kämpfen aber bis heute mit den Folgen der Flutkatastrophe. „Das ist mit viel Bürokratie verbunden“, sagt sie.

Ihren Laden eröffnete die Familie am 17. November 2017 wieder. Noch immer arbeitet sie am Hochwasserschutz. „Wir errichten derzeit Barrieren an den Ladenfenstern.“ Maßnahmen, die ihnen 2016 geholfen hätten. „Wir haben Fehler gemacht“, sagt sie. Doch niemand konnte ahnen, wie hart es Simbach treffen würde.

„Es ist mir eine Herzensangelegenheit, dass kein Mensch so etwas je erleben muss“, sagt sie. Deshalb ließ sie sich nicht zweimal bitten, als sie gefragt wurde, ob sie Hochwasserschutz-Botschafterin werden möchte. Das bayerische Umweltministerium startete die Infokampagne im Mai. Die Botschafter sind Menschen, die sich privat oder beruflich im Hochwasserschutz engagieren – Architekten, Rettungstaucher, Feuerwehrler, Versicherungsvertreter. Und eben auch Betroffene wie Silke Braumiller.

Es tut ihr weh, von den Fehlern zu erzählen, die sie gemacht haben. Davon, dass ihre Eltern, die jahrzehntelang hart arbeiteten, um sich etwas fürs Alter anzusparen, ihr ganzes Geld in den Wiederaufbau des Geschäftes stecken mussten. „Wir hatten keine Versicherung.“ Sie rät jedem, der in einem potenziellen Hochwassergebiet lebt, eine solche abzuschließen. „Und auch nicht den Wert des zu Versicherten nach unten rechnen, um ein paar Euro zu sparen.“

Nach der Flut kam eine Flut an Anträgen auf sie zu. Ein bayerisches Soforthilfe-Programm versprach bis zu 80 Prozent der verursachten Schäden zu ersetzen. „Doch dafür muss man alles dokumentieren.“ Schlecht, wenn im ersten Schock keiner Fotos macht von der Zerstörung. „Das haben wir versäumt“, berichtet Braumiller. Einen weiteren Tipp hat sie: „Wichtige Unterlagen nicht im Keller oder Erdgeschoss aufbewahren.“ Denn Versicherungen zahlen oft nur, wenn noch Originaldokumente vorliegen.

Elke Braumiller versucht, optimistisch in die Zukunft zu blicken. Sie ist dankbar, dass ihre ganze Familie die Katastrophe heil überstanden hat. Doch sie weiß, dass es im Inneren vieler Simbacher immer noch arbeitet. „Die Angst ist immer da, wenn es regnet.“

Weitere Informationen

zu der Hochwasserschutz-Kampagne gibt es im neuen Info-Portal www.hochwasserinfo.bayern.de

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