Ausbildung

Handwerk in Not: 1900 Lehrlinge fehlen

von Redaktion

Von Sarah Brenner und Severin Heidrich

München – Die Auftragsbücher sind voll, das Handwerk boomt. Trotzdem fehlt es an einer wichtigen Ressource: den Auszubildenden. Noch nie war die Zahl der unbesetzten Lehrstellen so hoch wie heuer. Wie die Industrie- und Handelskammer München und Oberbayern (IHK) am Freitag bekannt gegeben hat, stehen den rund 4600 unbesetzten Ausbildungsplätzen derzeit etwa 2700 unversorgte Schulabgänger gegenüber. Das ergibt eine Lücke von 1900 Bewerbern. Im Vorjahr waren es 1425 und damit rund ein Drittel weniger.

„Das Handwerk ist die Basis unserer Gesellschaft“, sagt Metzgermeister Andreas Gaßner (50), „das fängt bei A wie Abwasser an und reicht bis Z wie Zimmermann. Wenn das alles auf einmal wegfällt, schaut unsere Zukunft ganz schön düster aus.“ Gaßner kennt das Problem seit Jahren: „Ich habe das Gefühl, dass ein Ausbildungsberuf immer weniger wert ist“, sagt er. In Wahrheit sei jedoch das Gegenteil der Fall. Denn: „Wer in Deutschland ein Handwerk erlernt, dem steht die ganze Berufswelt offen.“

Innenarchitektin Monika Neukamp-Pauli sucht für ihren Betrieb seit März einen Maler-Azubi. Erst jetzt hat sie einen passenden Bewerber gefunden: „Er unterschreibt am Montag“, sagt sie. „Wir wollen Leute finden, die Lust auf den Job haben. Doch das ist mittlerweile wahnsinnig schwer.“

Eberhard Sasse, Präsident der IHK, fordert die Bildungspolitik deswegen auf, energischer auf die Gleichwertigkeit von akademischer und beruflicher Bildung einzutreten. „Wir brauchen ein grundlegendes gesellschaftliches Umdenken“, sagt Sasse, „dazu gehört, dass auch die Berufsschulen eine bessere Ausstattung bekommen.“ Außerdem müssten Ausbildungsformate wie das duale Studium bekannter werden.

Nach Angaben der IHK war neben dem Einzelhandel früher vor allem das Gastronomie-Gewerbe vom Azubimangel betroffen. Mittlerweile täten sich praktisch alle Branchen schwer, ausreichend Bewerber zu finden. Besonders stark spürbar sei der Azubimangel nach wie vor im Einzelhandel sowie bei Wirtschaftsinformatik und Büromanagement.

Eberhard Sasse macht die gute Konjunktur für das Rekordangebot an unbesetzten Lehrstellen verantwortlich. Das Problem dabei ist: „Der dringend benötigte Nachwuchs ist jedes Jahr schwerer zu bekommen.“

„Ich habe das Gefühl, dass heutzutage jeder nur noch Anwalt, Arzt oder Programmierer werden will, um etwas zu sein“, sagt Metzgermeister Gaßner. Aber: „Was hilft es uns, wenn wir irgendwann nur noch Programmierer, aber keinen einzigen Bäcker mehr haben?“

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