München/Nürnberg – Die berufliche Zukunft des Würzburgers Rainer Koch liegt in der Automobilindustrie. Der 37-jährige Robotik-Spezialist forscht zum autonomen Fahren, entwickelte Algorithmen, die es möglich machen, dass Laserscanner auch Spiegel oder Glas erkennen. Autonom fahrende Autos, so die Idee dahinter, sollen auch richtig reagieren, wenn ihnen durchsichtige Gegenstände in die Quere kommen.
Für seine Forschungen darf sich Koch nun Dr. Koch nennen – und so außergewöhnlich wie seine Forschungen ist auch der Werdegang der Promotion. Koch ist ein Quereinsteiger, er war erst auf der Hauptschule, wechselte dann zur Realschule, machte eine Lehre als Bauzeichner und studierte schließlich Elektrotechnik an der Technischen Hochschule Nürnberg.
Mit seiner Master-Arbeit wäre die akademische Karriere des Forschers eigentlich auch schon beendet gewesen, denn bisher hatten die Hochschulen für Angewandte Wissenschaften (HAW), also die früheren Fachhochschulen (FH), kein Promotionsrecht. Nur Absolventen von Universitäten dürfen sich, sofern sie Topleistungen erbracht haben, in eine Doktorarbeit vertiefen. Über 4000 Promotionen gibt es jedes Jahr in Bayern – bei 240 000 Studenten an den Universitäten und 114 000 an den Hochschulen.
Koch profitierte von einer Neuerung: 2015 vereinbarten Unis und HAWs, auch den Hochschulen Promotionen zu ermöglichen. Das ist auch in anderen Bundesländern üblich. Die praktische Umsetzung übernahm der Lenkungsrat des Bayerischen Wissenschaftsforums, eine Art Dachorganisation aller Unis und Hochschulen. Der Lenkungsrat organisiert zu Themen wie Mobilität, Energie oder Digitalisierung die Kooperation von Professoren, die dann den Doktoranden in sogenannten Verbundkollegs über Jahre hinweg gemeinsam betreuen. Im Fall von Rainer Koch waren das je ein Professor der TH Nürnberg und der Julius-Maximilians-Universität Würzburg. Die Zusammenarbeit der beiden war offenbar unproblematisch. „Die kannten sich ohnehin schon“, sagt Koch. Gestern überreichte ihm Wissenschaftsministerin Marin Kiechle (CSU) seine Promotionsurkunde. Auch die beiden Professoren, die ihn betreuten, kamen zur Feierstunde und gratulierten.
Schon lange drängen die HAWs danach, auch ihren Top-Studenten ein Weiterkommen zu ermöglichen. Am liebsten wäre ihnen ein eigenständiges Promotionsrecht – ohne Unis. Doch das ist mit den Universitäten nicht zu machen. Sie bestehen auf ihrer Leitfunktion. Die Verbundpromotion ist ein Kompromiss, der langsam Schule macht. Es gibt derzeit 81 Doktoranden an praktisch allen Hochschulen – Tendenz steigend.