Berchtesgaden – Grabesstimmung herrschte jedenfalls nicht: Unter großem Andrang und begleitet vom Jubel glücklicher Gewinner hat die Gemeinde Berchtesgaden am Mittwoch Gräber auf ihrem Alten Friedhof verlost. 300 Einheimische drängten ins Kongresszentrum des Ortes, um an der ungewöhnlichen Aktion teilzunehmen. „Warum soll man sich mit dem Thema nicht auseinandersetzen? Das gehört zum Leben dazu“, sagte die 53-jährige Sieglinde Skriwan, die sich mit ihrem Mann für eine der Ruhestätten beworben hatte. Ihr Los wurde als erstes gezogen – und so durften die beiden sich als Erste ihre künftige Grabstätte aussuchen.
„Wir haben uns einen Modus ausgedacht, der meiner Meinung nach der fairste ist“, sagte Bürgermeister Franz Rasp, der sogar dem arabischen Fernsehsender Al Jazeera ein Interview geben musste. Der Modus funktioniert so: Jeder Einheimische im Einzugsgebiet des Friedhofsverbands Berchtesgaden konnte sich im Vorfeld um eines der 140 Erd- und 60 Urnengräber bewerben. Alle Anmeldungen kamen in einen Lostopf, Gemeinde-Mitarbeiterin Katharina Koller fungierte als Glücksfee. Derjenige, der zuerst gezogen wird, hatte freie Friedhofsplatzwahl. Die zu vergebenen Gräber wurden im Vorfeld per Tafel auf dem Friedhof markiert. So hatte jeder Bürger die Möglichkeit, sich ein Wunschgrab auszusuchen. Kosten: rund 500 bis 760 Euro für eine zehnjährige Liegezeit. Skriwan und ihr Mann wählten eine Stelle unweit vom Grab des Onkels ihres Mannes, „mittendrin“ im Friedhof, „unter einem Baum“ und – für spätere Besucher – mit schöner Aussicht. Auf vielen Friedhöfen herrscht nach Angaben des Bundesverbandes Deutscher Bestatter kein Mangel an Grabstätten, zumal der Trend zur Urne oder zur anonymen Bestattung in Waldfriedhöfen geht.
Anders auf dem 1685 eröffneten denkmalgeschützten Alten Friedhof in Berchtesgaden. Dort haben eingesessene Familien traditionell ihre Gräber. Jahrzehntelang waren keine Plätze mehr vergeben worden. Mit der Zeit seien aber Nutzungsrechte ausgelaufen, sagte Bürgermeister Franz Rasp. Das Los sollte eine möglichst gerechtes Vergabe gewährleisten. „In Deutschland ist es uns nicht bekannt, dass so was je gemacht wurde.“ Mancher verpasste sein Traumgrab. „Den Platz wollte eigentlich ich“, klagte ein älterer Herr, als ein bestimmtes Grab weggestrichen wurde. Anna Glossner, Berchtesgadens Nachtwächterin, sagte: „Ich denke zwar noch nicht ans Sterben, aber die Hoffnung auf mein Wunschgrab stirbt zuletzt.“ Auch andere Verlosungsteilnehmer bewiesen Galgenhumor: „Ich hänge mich jetzt nicht gleich auf, wenn ich mein Wunschgrab nicht bekomme“, sagte Christoph Karbacher aus Schönau am Königssee. „Man muss gut gelaunt sein bis zum Schluss“, so der ehemalige Gymnasiallehrer mit einem Lächeln. Seine Hoffnung war es, ein „schönes Grab in der Nähe eines guten Freundes zu bekommen“.
Der Eine wolle „es eher pflegeleicht, der Andere möchte eine besonders schöne Lage unter dem Baum, der Dritte möchte nicht unter den Baum – weil da das Laub drauf fällt“, sagte Bürgermeister Rasp, den der Presserummel überraschte. „Wir haben nicht damit gerechnet, dass wir komplett das Sommerloch belegen.“Am Ende blieben wegen vieler Mehrfachbewerbungen sogar 85 Gräber übrig, wie Anton Kurz, Geschäftsleiter des Marktes, sagte. „Ich glaube, dass der Großteil die Grabstelle bekommen hat, die er sich gewünscht hat.“