München – Sie lauern überall: im Büro, am Gartenzaun, in der Schule, im Vereinsheim. Kein Mensch kommt durchs Leben, ohne ständig in Konflikte zu geraten. Doch um sie aus der Welt zu schaffen, ist manchmal ein Profi nötig. In solchen Momenten kommt Hans Eller oder einer seiner Kollegen ins Spiel. Der 59-Jährige aus Karlsfeld (Kreis Dachau) ist freiberuflicher Mediator. Mit rund zehn anderen hat er vor vier Jahren den Verein Konfliktberatung Bayern gegründet. Sie bieten eine kostenlose Erstberatung an. Manchmal reicht das schon, um einen Streit aus der Welt zu schaffen. Manchmal ist es nötig, dass danach ein Mediator, ein Therapeut oder Familienberater weiterhilft. Eller und seinen Kollegen geht es aber darum, dass sich die Menschen überhaupt trauen, sich einen Rat zu holen. Das kann telefonisch sein oder in einem Büro des Vereins. „Wenn wir vor Ort keine Anlaufstelle haben, kommen wir auch gerne persönlich vorbei“, betont Eller.
Die Konfliktberater lassen sich die Situation ausführlich schildern – meistens erstmal nur aus der Sicht des Hilfesuchenden. „Beide Parteien an einen Tisch zu bekommen, ist die große Kunst“, erklärt Eller. Bei einer Erstberatung ist das aber oft gar nicht nötig. Um einen Konflikt endgültig aus der Welt zu schaffen, aber unumgänglich. „Es geht darum, eine Lösung zu finden, die die Interessen beider Seiten berücksichtigt“, erklärt Eller. „Und dafür müssen beide Seiten ihre Interessen und Bedürfnisse offen aussprechen.“ Das ist der Schlüssel zu jeder Konfliktlösung, betont er. „Nur, wer den anderen und dessen Bedürfnisse verstanden hat, kann eine Lösung finden.“
Eller könnte zahlreiche Beispiele erzählen. Ein typischer Streitfall ist die Raumtemperatur im Büro, sagt er. Einer möchte es schön kühl, ein anderer möchte im T-Shirt arbeiten können. „Ein Kompromiss wäre es, die Temperatur auf einen Mittelwert einzustellen“, erklärt er. Das würde aber auch bedeuten, dass keiner das bekommt, was er möchte. Dieses Problem hat Eller schon einige Male gelöst. Meistens ging es damit aus, dass die Temperatur zu verschiedenen Tageszeiten unterschiedlich eingestellt wird. Und meistens stellte sich dann schnell heraus, dass der Konflikt gar nicht so groß war, wie es anfangs schien. Trotzdem war seine Rolle wichtig. „Wenn jemand von oben bestimmt, wie etwas geregelt wird, sind meist beide Seiten unzufrieden“, sagt er. „Wenn sie den Konflikt selbst lösen, fühlt es sich fair an.“
Eller arbeitet seit vier Jahren als Mediator. Und er hat in dieser Zeit festgestellt, dass sich die Konflikte im Alltag zu vermehren scheinen. „Wir sind konfliktbereiter und auch streitsüchtiger geworden“, sagt er. „Mit einigen Situationen kommen wir schwerer zurecht.“ Das liegt seiner Meinung nach auch daran, dass viele Themen sehr emotional diskutiert werden – zum Beispiel die Asylpolitik. Seine Aufgabe als Mediator sei es immer, beiden Seiten dabei zu helfen, ihre Perspektive auf das Problem zu verändern. „Das ist der magische Moment“, erzählt er. „Man kann es den Gesichtern ansehen, wenn es passiert – und danach läuft das Gespräch meist wie von selbst.“
Die Zahl der Vereinsmitglieder ist inzwischen auf knapp 40 gestiegen, die Beratungen werden regelmäßig in Anspruch genommen. Das nächste Ziel der Ehrenamtlichen ist es, bayernweit noch bekannter zu werden. „Wir wollen mit unserem Angebot möglichst viele Hilfesuchende erreichen“, sagt Eller. Als Profi weiß er: An Konflikten ist nur eines schlimm – wenn sie nicht gelöst werden. „Das kann so belastend werden, dass es sich sogar auf die eigene Gesundheit auswirkt.“ Aber wer sich nicht scheut, einen Konflikt anzugehen, der könne sogar profitieren. „Jeder Konflikt hat auch seine gute Seite“, betont Eller. Weil es befreiend ist, wenn sich ein Problem löst. Und weil es für alle Lebenslagen hilfreich ist, die Perspektive wechseln zu können. „Und das“, betont Eller, „kann jeder lernen.“
Kontakt zum Verein
Die Konfliktberatung Bayern ist erreichbar unter der Telefonnummer 0151/72 62 54 50 oder per E-Mail unter info@ konfliktberatung.bayern. Weitere Infos gibt es unter www.konfliktberatung.bayern