Erste Nachwuchs-BIlanz

Startschwierigkeiten für Jungstörche

von Redaktion

Von Susanne Sasse

Dießen – Den 13. Juni hat Franz Sanktjohanser als Schreckenstag in Erinnerung. Es regnete in Strömen, bereits den zweiten Tag. Und in seinem Garten in Dießen am Ammersee spielte sich ein Drama ab. Die drei Jungstörche, die im Mai im Nest auf einem eigens dafür aufgestellten fast 13 Meter hohen Mast geschlüpft waren, streckten ihre Köpfe nicht mehr über den Nestrand. Das Problem: „Die Altvögel waren bei dem Starkregen nicht mehr zum Futterholen geflogen und weil die Jungvögel schon hühnergroß waren, schafften es ihre Eltern nicht, sie ausreichend gegen den Regen abzuschirmen“, schildert Sanktjohanser. So verstummten die Schreie der Jungstörche. „Ich konnte nichts machen, es war schlimm.“ Der 67-Jährige ist tieftraurig, dass es in Dießen heuer keinen Storchennachwuchs gibt: „Dabei sah alles so gut aus, bis dann diese Schafskälte kam.“

Im Nachbardorf in Raisting (Kreis Weilheim-Schongau) ist die Lage besser. Dort, wo 2003 der erste Storch auftauchte, sind heuer von anfangs 41 Jungstörchen noch immer 28 am Leben – und bald flügge. Rund 100 Störche leben derzeit in Raisting, 15 Brutpaare, deren Nachwuchs und dann noch 30 jugendliche Störche, hat Wolfgang Bechtel beobachtet. Der 61-jährige Kartograf kümmert sich für die Schutzgemeinschaft Ammersee um die Störche und liest mit dem Feldstecher deren Ringnummern ab.

So kann er feststellen, woher die Ammerseestörche kommen: „Die meisten aus Oberschwaben und vom Bodensee, aber heuer habe ich auch Störche aus Vorarlberg, dem schweizerischen Thurgau, aus Zürich, Luzern, aus Mittelfranken und einen aus dem Münsterland entdeckt“, erzählt er. Die Jungstörche haben sich zusammengeschlossen, weil sie sich in der Gruppe sicherer fühlen. Nicht ohne Grund: Die Jugend ist gefährlich. Nur 20 Prozent erreichen das fortpflanzungsfähige Alter. Viele erleiden vorher tödliche Unfälle, oft auch beim Zug in die Überwinterungsgebiete. Die meisten der hiesigen Störche überwintern übrigens gar nicht in Afrika, sondern in Spanien auf Müllkippen, wo sie viel Nahrung finden. Ende August werden sie sich wieder auf den Weg machen.

„Es war ein gutes Storchenjahr in Bayern, auch wenn es lokal wegen Regens Verluste gab“, wagt Oda Wieding, die Weißstorchexpertin des Landesbunds für Vogelschutz, eine vorläufige Bilanz. Als gesichert gilt ein Bestand, wenn pro Brutpaar zwei Jungtiere überleben. Heuer schafften es in Raisting im Schnitt 1,9 Jungvögel. Damit sind die Störche dort zwar immer noch auf Zuwanderung angewiesen, aber es sieht gut aus, die Population wächst.

Vorausgesetzt, die Landschaft bleibt storchenfreundlich: Störche brauchen viel Grünland, um Heuschrecken, Mäuse und Kleingetier fangen zu können. Denn der Storch lebt nicht vom Frosch allein. Er braucht pro Tag rund 500 Gramm Nahrung – Jungvögel können bis zu einem Kilogramm vertilgen. Es ist also ein gutes Zeichen, dass die zahlreichen Störche am Ammersee bei gutem Wetter genug Nahrung für sich und die Jungvögel finden.

Sollten 2019 wieder Störche im Garten von Franz Sanktjohanser in Dießen brüten, will er den Storcheneltern im Ernstfall unter die Flügel greifen. Bei Starkregen will er die Jungstörche in einem Unterstand im Garten aufpäppeln und danach wieder ins Nest setzen. Dass es wieder Störche gibt, freut ihn sehr: „Als ich Kind war, war ein Storch eine Sensation“, erinnert sich der 67-jährige Fuhrunternehmer. Bayernweit gab es damals 30 Brutpaare. Inzwischen brüten im Freistaat wieder mehr als 500 Storchenpaare.

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