Prozess

MS-Kranker um Lebensabend betrogen

von Redaktion

Von Caroline Wörmann

Dingolfing – „Hätte ich diesem Mann nur nicht so vertraut.“ Diesen Satz hat Karl Huber aus Dingolfing in den vergangenen Monaten wohl tausende Male gedacht. Dann stünde der ehemalige Berufsschullehrer nun nicht ohne alles da. Dann wäre nicht unsicher, ob er in dem barrierefreien Haus, dessen Kredit er noch abzahlt, wohnen bleiben kann. Dann wäre nicht jeder Tag eine Qual für ihn im Moment.

Doch Huber, der seit 30 Jahren mit der Diagnose Multiple Sklerose lebt und seit einiger Zeit kaum mehr laufen kann, vertraute Peter F. (Name geändert), der für ihn einkaufte und mit seinem Hund „Woody“ spazieren ging. Und merkte erst, dass der 29-Jährige ihn um sein gesamtes Vermögen – 265 000 Euro – gebracht hatte, als es zu spät war.

Aber von vorne. Im Januar 2016 geht Huber mit „Woody“ vor die Tür, als der Hund ihm plötzlich abhaut. „Da hat er mich beobachtet – ich kam Woody einfach nicht hinterher – und er hat seine Hilfe angeboten“, erzählt Huber über die erste Begegnung mit Peter F. „Er war freundlich, hat meinen Hund eingefangen, und als ich ihn wiedergetroffen habe, hat er gefragt, ob er mal mit Woody rausgehen soll.“ Die Unterstützung war dem 61-Jährigen mehr als willkommen. „Ich war einfach so froh, dass jemand da ist“, sagt Huber. Von seiner Frau Katja lebte er damals getrennt. Seinen Alltag konnte er kaum alleine bewältigen. Da kam F. wie gerufen. Bald schon geht Peter F. bei Karl Huber ein und aus. Kauft ein. Geht mit dem Hund Gassi. Viel über den hilfsbereiten Mann, der in der Nähe wohnt, erfährt Huber nicht. „Wir haben uns verstanden, aber nur, weil wir über den Hund geredet haben.“ Es dauert nicht lang, da bekommt F. Zugang zu Hubers EC-Karte. „Die hatte ich immer in meinem Geldbeutel im Korb vorne an meinem Rollator verstaut“, sagt Huber. „Das hat er mitbekommen.“

Zwischen Februar 2016 und November 2017 soll F. insgesamt 181 Mal Geld von Karl Hubers Konto abgehoben haben. Erst sind es kleinere Beträge, dann wird F. dreister. Holt sich immer gleich 2000 Euro, das ist das für Hubers Konto eingerichtete Tageslimit. Später kauft er mit der Karte auch bei Amazon und auf einem Sexportal ein. Immer tarnt er seine Gänge zur 150 Meter entfernten Bankfiliale als Spaziergänge mit dem Hund. Und: Immer soll F. gleich nach den Abhebungen die Kontoauszüge ausgedruckt haben, damit Karl Huber – für den Fall, dass er es doch mal zur Bank schafft – das nicht mehr tun kann. Im Februar 2016 – zu diesem Zeitpunkt fehlen von Hubers Konto bereits 35 000 Euro – veranlasst Peter F. eine Umbuchung auf sein eigenes Konto. 20 000 Euro. Die Bank weist diese zurück, meldet sich aber nicht bei Karl Huber, der seit 40 Jahren sein Konto dort hat, um nachzufragen, ob das seine Richtigkeit habe.

Dieses Ereignis sieht Karl Huber im Nachhinein als Knackpunkt: „Warum haben die denn nicht mal gefragt, ob da alles mit rechten Dingen zugeht?“, fragt er sich. Er könne eben wegen seiner Krankheit nicht mehr selbst zur Bank gehen, um seine Kontoauszüge zu holen. „Die Bank hat doch auch eine Sorgfaltspflicht“, findet er. Das Kreditinstitut meldete sich erst bei Huber, als das Konto leer war. „Der Bankdirektor ist dann sogar persönlich vorbeigekommen, hat betreten geschaut und gesagt, da könne man nichts machen“, erzählt Huber. Die betroffene Bank will sich nicht zu den Vorfällen äußern. Nach dem Bankgeheimnis sei man zur Verschwiegenheit gegenüber Dritten verpflichtet, heißt es auf Anfrage.

Ganz freisprechen will Karl Huber sich selbst freilich nicht. Dass F. keine Gegenleistung für seine Dienste verlangt habe, hätte ihn stutzig machen müssen, sagt er im Rückblick. „Aber ich war so blöd und habe ihm vertraut.“

Der mutmaßliche Täter Peter F. sitzt seit März in Untersuchungshaft. Am 13. August soll der Prozess gegen ihn wegen Betrugs und Urkundenfälschung vor dem Amtsgericht Landshut beginnen. Dem 29-Jährigen droht eine mehrjährige Gefängnisstrafe. Karl Huber wird das nicht helfen. Die 265 000 Euro, die er größtenteils geerbt hatte, sind futsch. „Das Geld ist verbrannt“, sagt Huber. Die Polizei habe ihm gesagt, dass der Angeklagte es wohl hauptsächlich für Drogen ausgegeben habe. „Das war meine Altersvorsorge“, sagt Huber.

Auch Hubers Frau Katja, die inzwischen wieder an seiner Seite steht, hat Peter F. kennengelernt. „Es hat so gewirkt, als tue er die Dinge für meinen Mann wirklich aus Nächstenliebe“, sagt sie. Zeit habe F. damals ja gehabt, er habe nur sporadisch gearbeitet. Das Wichtigste für ihren Mann, sagt Katja Huber, sei, dass er mit Woody in seinen vier Wänden, die behindertengerecht ausgebaut seien, wohnen bleiben kann. „In seinem Zustand umzuziehen? Das bringt ihn um“, sagt sie.

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