Forschungsprojekt im Kreis Freising

Experimente für den Wald der Zukunft

von Redaktion

von Sabine Dobel

Freising – Kabel, Elektroden, Thermometer, Mikrofone: Die Bäume im Wald bei Kranzberg im Kreis Freising werden Tag und Nacht überwacht. Sie stehen in einer Art Bierzelt, durch die der Stamm nach oben hindurch ragt – damit die Wurzeln keinen Regen abbekommen. Wissenschaftler aus Deutschland, Österreich und den USA testen bei dem Projekt „Kranzberg Forest Roof Experiment“ (KROOF) seit 2013, wie sich jahrelange Sommer-Trockenheit auswirkt.

Rund 1000 Bäume gehören zum Versuchsfeld, 50 Buchen und Fichten werden künstlich trocken gehalten. Der Wechsel von reinen Fichten- in Mischwälder gilt als wichtige Maßnahme im Klimawandel. Doch wie sich langjährige Trockenheit tatsächlich auswirkt, ist offen. „Wir wollen wissen: Wie schlimm wird es denn“, sagt Studienleiter Thorsten Grams vom Lehrstuhl für Ökophysiologie der Pflanzen an der Technischen Universität München. „Gemischte Bestände mit unterschiedlichen Bäumen haben oft einen positiven Effekt. Ein Ziel ist es herauszufinden, inwieweit das gilt und warum das so ist.“ Laut Grams gibt es weltweit nur eine Handvoll anderer Projekte dieser Größenordnung; eines im Amazonasgebiet und eines im US-Bundesstaat New Mexiko. Dort werden Wacholderbäume und Kiefern untersucht.

Das Freisinger Projekt zeigt schon jetzt: Bei Wassermangel hat die Fichte auch im Mischwald keine besonders guten Chancen. Die Hoffnung, dass Fichten von dem Wasser profitieren, das die Buchen mit tieferen Wurzeln aus dem Boden holen, scheint sich nur teils zu bewahrheiten. Die Nadeln der Fichten sind verkürzt, teils wachsen Triebe nur einen Zentimeter statt zehn pro Jahr. „Die Fichte leidet bei Trockenheit stark“, sagt Grams. Obwohl die Forscher den Borkenkäfer als besondere Gefahr bei Trockenheit mit Insektiziden ausgeschaltet haben, sind zwei Fichten abgestorben, fast zehn Prozent des Bestandes.

Waldbesitzer sind schon dabei, Fichtenbestände zu reduzieren und mehr Vielfalt in den Wald zu bringen. Die Bayerischen Staatsforsten wollen den Anteil der Fichten von rund 42 auf künftig 36 Prozent reduzieren, die Buche soll von 18 auf 26 Prozent ausgebaut werden. Auch andere Arten wie Weißtannen, die mit tiefen Wurzeln trockenresistenter sind, Douglasien, Lärchen und Eichen sollen mehr Raum bekommen. Dabei gebe es bei der Planung viele Unwägbarkeiten, sagt Philipp Bahnmüller von den Staatsforsten. Die Esche etwa schien eine gute Wahl zu sein – da starben die Eschentriebe wegen eines Pilzes ab, der aus Asien eingeschleppt worden war. „Unser Ziel ist deshalb das Vier-Baum-Konzept. Wenn eine Baumart ausfällt, ist nicht gleich der ganze Wald weg“, sagt Bahnmüller. „Welche Baumarten das jeweils sind, kann man nicht pauschal sagen, es hängt vom Standort ab.“ Etwa im trockenen Unterfranken werde die Fichte kaum eine Zukunft haben.

Das zeigt auch das Trocken-Forschungsprojekt in Freising. Fichte 145 beispielsweise hat nicht überlebt. Ihre toten Äste ragen grau aus dem Grün. Mit einer Mini-Gondel an einem Kran steuert der Biologe Benjamin Hesse in die Kronen. Von oben sind die Schäden noch deutlicher zu sehen als vom Boden. Auch nachts fährt Hesse zu den Wipfeln auf etwa 40 Metern Höhe. Im Licht der Stirnlampe sucht er Zweige aus, um sie im Labor auf ihr Wasserpotenzial zu untersuchen.

Während die Bauern auf den Äckern die Klimafolgen sofort spüren und inzwischen auch Bäume in Städten und an Straßen schon die Blätter abwerfen, können Wälder längere Trockenheit besser überbrücken. Besonders an sensiblen Stellen sind die Folgen aber zu sehen, etwa am Bergwald. Dieses Jahr zeichnen sich bereits erste Borkenkäfer-Schäden bei hitzegeschwächten Fichten ab. Dabei sei der Borkenkäferanfall bei den Staatsforsten insgesamt geringer als im Vorjahr, wie Philipp Bahnmüller berichtet. Zudem seien ungewöhnlich viele neu gepflanzte Bäume vertrocknet. Die Weichen für die Zukunft müssen rasch gestellt werden. „Unsere Produktionszeiträume sind 100 Jahre und mehr.“

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