Wildgänse-Problem an Seen

Unwillkommene Badegäste

von Redaktion

Von Katrin Woitsch

Nürnberg/Herrsching – Christian Vogel wusste, dass es ein heikles Thema ist. Der Zweite Bürgermeister Nürnbergs hatte mit Protesten gerechnet, als er der Bejagung der Wildgänse am Wöhrder See zugestimmt hat. Er hatte nicht mit hunderten Hass-E-Mails und -Briefen gerechnet, mit Morddrohungen und heftigen Beschimpfungen auf Facebook. Und mit einem Pflasterstein, den er vor seiner Haustür fand. „Heute liegt er vor deiner Tür, morgen in deinem Haus“ stand auf einem Zettel.

Vogel wurde als Mörder und Tierquäler beschimpft. „Wir wollen dich leiden sehen“, stand in einer Mail, „Du sollst auf der Straße verrecken“ in einer anderen. Am Seeufer wurde „Mörderstadt“ auf Bänke geschmiert und ein Eimer Schweineblut ausgeleert. „Das hat nichts mehr mit Tierschutz zu tun“, sagt Vogel. Die Stadt habe bereits Strafanzeige wegen Sachbeschädigung gestellt. Er überlegt ebenfalls, Anzeige zu erstatten wegen der Morddrohungen, die er bekommen hat. „Mir war klar, dass ich etwas aushalten muss“, sagt er. „Aber die Grenze ist deutlich überschritten.“

Vogel hatte auf eine sachliche Diskussion gehofft, nachdem die Entscheidung für den Wöhrder See gefallen war. Denn Argumente für den Abschuss der Wildgänse hat er parat. Die 130 bis 150 Gänse hinterlassen am Ufer Kot – und der sei nicht nur unappetitlich, sondern auch bakteriell belegt. „Er könnte besonders bei Kindern und Senioren Krankheiten auslösen“, erklärt er. „Wir sahen uns als Stadt gezwungen zu reagieren. Für das Gemeinwohl.“

Es ist das erste Mal, dass am Wöhrder See Wildgänse abgeschossen wurden. Acht Vögel hatten die Jäger getroffen, einer wurde aber wohl von einem Streifschuss erwischt. Eine Spaziergängerin fand das Tier verletzt und veröffentlichte Bilder auf Facebook. So kochte der Protest hoch. „Wenn das so passiert ist, tut uns der Vorfall leid“, sagte Vogel. Für gewöhnlich sorgten die Jäger dafür, dass die Tiere spätestens mit einem zweiten Schuss getötet werden.

In Nürnberg werde die bereits bestehende „Gänse-Task-Force“ nun darüber beraten, wie es am Wöhrder See weitergehe. Hilfe bekommen die Städte und Gemeinden mit Gänse-Problemen auch von der Landesanstalt für Landwirtschaft. Landespfleger Christian Wagner berät Kommunen – auch die Stadt Nürnberg, berichtet er. Die Bejagung am Wöhrder See sei nur ein Baustein von vielen, um die Situation in den Griff zu bekommen. So werde auch versucht, die Tiere auf andere Flächen abzulenken.

Grundsätzlich gebe es aber nicht den einen Rat, um Wildgänse zu vertreiben, betont Wagner. „Jedes Gebiet ist unterschiedlich, überall gibt es andere Konzepte.“ Im Altmühltal habe es beispielsweise durch die Gänse Ernteausfälle von mehr als 55 000 Euro gegeben, auch dort wurden die Tiere bejagt. Proteste blieben aus. „Kommunikation ist sehr wichtig und kann viel entschärfen“, sagt Wagner. Einige Gemeinden müssen wohl aber damit leben, dass ihre Seen für die Tiere attraktiver sind als andere. „Wenn die Gänse Brut- und Ruheplätze finden und gleichzeitig Nahrungsflächen, ist das für sie einfach ein idealer Lebensraum.“

Das gilt zum Beispiel für den Ammersee. Dort kämpft die Gemeinde Herrsching mit einer hohen Population Wildgänse. Die Gemeinde habe alles probiert, berichtet Bürgermeister Christian Schiller. Die Schonzeit verkürzt, Hunde über die Wiese gejagt, das Füttern der Tiere untersagt. Trotzdem kamen die Gänse immer wieder. In diesem Sommer geht die Gemeinde einen neuen Weg. Ein Seeadler, einer der wenigen natürlichen Feinde der Gänse, soll die Tiere aus der Herrschinger Bucht vertreiben. „Diesen Versuch gab es bereits einmal im Nymphenburger Park“, berichtet Landespfleger Christian Wagner. „Dort war der Seeadler sehr erfolgreich.“

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