München – Seit März sind die Bezirke nicht mehr nur für die stationäre, sondern auch für die ambulante Pflege zuständig. Ab 1. September wird das in den ersten Landkreisen umgesetzt. Bezirketags-Präsident Josef Mederer sieht in der Regelung einen großen Vorteil für alle Betroffenen.
-Wie einvernehmlich fiel der Beschluss, dass die Bezirke künftig für die ambulante Pflege zuständig sind?
Das ist auf politischer Ebene kontrovers diskutiert worden. Die großen Landkreise und Städte waren der Meinung, sie könnten das selbst machen. Entscheidend dafür, dass wir uns geeinigt haben, war wohl die Meinung der Betroffenen- und Angehörigenverbände, die sich ganz klar dafür aussprachen, dass ambulante und stationäre Pflege aus einer Hand und von den Bezirken angeboten werden sollte.
-Warum ist das sinnvoll?
Es ist immer einfacher, wenn die Hilfen aus einer Hand organisiert und finanziert werden. So wird aus rein fachlicher Sicht entschieden, ob für Betroffene ambulante oder stationäre Pflege geeigneter ist. Es besteht keine Gefahr, dass sie zwischen den Behörden hin und her verwiesen werden. Dazu kommt, dass es künftig viel leichter sein wird, vom ambulanten in den stationären Bereich zu wechseln – oder umgekehrt. Und die Pflegedienste tun sich künftig mit der Abrechnung leichter.
-Werden dadurch künftig mehr Menschen ambulant gepflegt werden?
Im Pflegestärkungsgesetz 3 und im Teilhabegesetz gibt es den Grundsatz ambulant vor stationär. Wenn man den ambulanten Bereich ausbauen will, braucht man dafür aber die nötigen Strukturen und Geld. Ich bin überzeugt, dass die Umstrukturierung dazu beiträgt, dass künftig mehr Menschen in ihrem familiären Umfeld gepflegt werden können.
-Finanziell bedeutet die Umstrukturierung für die reichen Landkreise keine Entlastung. Einige müssen sogar mehr zahlen. Wieso?
Insgesamt ist es ein Nullsummenspiel. Aber es gibt aus finanzieller Sicht Gewinner und Verlierer. Die Kreise, die hohe Umlagezahlungen leisten, weil sie eine hohe Steuerkraft haben – so wie der Landkreis München –, werden finanziell mehr belastet. Kleinere Landkreise müssen weniger zahlen. So funktioniert eben das Solidaritätsprinzip.
-Offiziell sind die Bezirke schon seit März zuständig. War dieser Termin zu früh angesetzt?
Nein. Das Gesetz wurde im Januar erlassen. Es war unmöglich, das in zwei Monaten umzusetzen, deshalb haben wir eine Frist bis 31. Dezember bekommen. Seit März finanzieren wir die ambulante Pflege. Die vergangenen Monate haben wir genutzt, um Strukturen und Personal aufzubauen. Es sind 60 neue Stellen geschaffen worden. Bis Jahresende wollten wir nun aber nicht mehr warten. Deshalb beginnen wir nun am 1. September in den Kreisen München, Dachau, Fürstenfeldbruck sowie in Stadt und Landkreis Rosenheim. So können wir erste Erfahrungen sammeln, für die restlichen Landkreise und Städte.
-Was ändert sich für die Betroffenen?
Sie sollen eigentlich überhaupt nichts davon mitbekommen. Außer, dass die Organisation für sie künftig leichter wird. Trotzdem bekommen nun alle einen Bescheid von uns – damit sie wissen, wer ihr Ansprechpartner ist. Inhaltlich wird sich an den Leistungen nichts ändern, so lange sich Einkommensverhältnisse und Gesundheitszustand nicht ändern.
-Gibt es für Betroffene Ansprechpartner vor Ort?
Im Sozialgesetzbuch sind die Pflegestützpunkte in einer erweiterter Form vorgesehen. Dort ist festgelegt, dass es wohnortnah eine neutrale Beratung und Betreuung geben muss. So deutlich stand das noch nie im Gesetz. Das wollen wir nun offensiv angehen und warten nun nur noch auf die Verordnung vom Gesundheitsministerium. Sie soll Ende des Jahres kommen. Außerdem müssen die Städte, Kreise und Bezirke mit den Krankenkassen noch die Rahmenvereinbarungen aushandeln. Die Kassen müssen sich nun an den Kosten beteiligen, früher war das freiwillig. Mir ist wichtig, dass wir die guten Ressourcen, die wir vor Ort haben, weiterhin nutzen. Aber wir müssen sie besser vernetzen. Wer einen Ansprechpartner braucht bei einem Pflegethema, muss eine zentrale Anlaufstelle haben. Interview: Katrin Woitsch