Bergexerzitien

Schweigen auf Steigen

von Redaktion

von Dominik göttler

München/Rosenheim – Es sind Momente wie die am Hochfeiler im Zillertal, nach denen Hans Maier weiß, warum er immer wieder mit einer Gruppe Sinnsuchender die Wanderschuhe schnürt. „Es war später Nachmittag, als wir am Gipfel angekommen sind“, erinnert er sich. „Den ganzen Tag war es furchtbar neblig, aber kurz vor dem Gipfel sind wir durch die Wolkendecke gestiegen und hatten auf einmal ein Wahnsinnspanorama vor uns“, sagt Maier. Überwältigt hielt die Gruppe am Gipfelkreuz inne. Gemeinsam setzten sie an und sangen: Großer Gott, wir loben dich. „Es war ein Jauchzen aus vollem Herzen“, sagt Maier und lächelt zufrieden.

Hans Maier, 57, ist es gelungen, sein größtes Hobby mit seinem Beruf zu verknüpfen. Der passionierte Bergsteiger ist im Hauptberuf Pastoralreferent in Rosenheim. Doch seit rund 15 Jahren führt er Menschen, die auf der Suche nach Antworten, nach Spiritualität oder einfach nur nach Ruhe sind, auf die Gipfel der Alpen. Bergexerzitien nennt sich seine Leidenschaft, für die er bis zu acht Mal im Jahr Gruppen über mehrere Tage von Hütte zu Hütte führt. Dabei gilt es Höhen und Tiefen zu ergründen. Nicht nur die der Alpen.

Maiers Liebe zur Bergwelt hat sich schon in der Kindheit entwickelt, als seine Familie aus dem Landkreis Fürstenfeldbruck regelmäßig in die Alpen ging. „Ich erinnere mich, dass wir am Taubensteinhaus über die Felsen gekrabbelt sind und nachts den Esel schreien gehört haben“, sagt Maier. Die Faszination blieb über all die Jahre, egal ob bei regelmäßigen Skitouren, beim Klettern oder bei alpinen Hochtouren.

Unten im Tal strebte der Bergfex derweil das Priesteramt an. Doch im Priesterseminar reifte bei Hans Maier die Gewissheit: „Ich will Familie haben.“ Also schlug er, ganz der Bergsteiger, eine alternative Route auf dem Weg zu seinem persönlichen Gipfel ein und wurde Pastoralreferent und dreifacher Vater. Die Nähe zu den Bergen suchte er trotzdem immer wieder, sei es in der Freizeit oder bei Zeltlagern mit Jugendgruppen oder Ministranten. Vor ungefähr 20 Jahren nahm er selbst zum ersten Mal an Bergexerzitien teil und wusste sofort: „Das will ich auch anbieten.“

Exerzitium, das klingt sperrig, selbst wenn man es als „geistige Übung“ übersetzt. Der ausgebildete Exerzitien- und Wanderführer Hans Maier bringt es so auf den Punkt: „Es geht darum, ins Gespräch mit Gott zu kommen.“ Für ihn gibt es dafür kaum einen besseren Ort als die Berge. „Hier beschleicht einen immer wieder dieses erhabene Gefühl: Es gibt etwas, das mich überdauert.“

Von einer gewöhnlichen Wandertour unterscheiden sich die Bergexerzitien vor allem beim Rahmenprogramm. Es gibt gemeinsame Gottesdienste, Gesang, Gebet und Gesprächsrunden auf den Hütten, in denen die Teilnehmer ihre inneren Konflikte aufarbeiten können. „Aber einen ganz wichtigen Teil nimmt das meditative Gehen ein“, sagt Maier. Schweigen auf den Steigen. Bei anspruchsvollen Touren mit bis zu neun Stunden Gehzeit täglich, wie etwa zuletzt am Berliner Höhenweg, reicht die Puste ohnehin nicht, um den ganzen Tag zu ratschen. Aber auch auf den einfacheren Touren hilft die Stille, die eigenen Abgründe zu erkunden. Hier trägt jeder seinen eigenen Rucksack.

Die Wahl der Route ist dabei ganz individuell. Männer suchen nach Maiers Erfahrung eher die körperliche Herausforderung, während den Frauen das Meistern hoher Schwierigkeitsgrade nicht so wichtig ist. Die Menschen, die sich für Bergexerzitien entscheiden, könnten unterschiedlicher nicht sein, sagt Maier. „Das reicht von der evangelischen Pfarrerin bis zum lesbischen Liebespärchen.“ Und er beobachtet: Während jüngere Teilnehmer viel intensiver nach der Existenz Gottes fragen, suchen Menschen mit mehr Lebenserfahrung eher nach einer Auszeit oder nach der Begegnung.

„Wir geben dem Ganzen einen Rahmen“, sagt Maier. Dahinter stecke kein missionarischer Gedanke, sondern der Wunsch, denjenigen zu helfen, die nach Orientierung suchen. Hier zitiert Maier den verstorbenen Innsbrucker Bischof und leidenschaftlichen Bergsteiger Reinhold Stecher: „Viele Wege führen zu Gott. Einer davon geht über die Berge.“

Weitere Informationen

zu den Bergexerzitien der Erzbistümer München und Freising sowie Augsburg finden Sie im Internet unter www.bergexerzitien.de.

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