von Oberbayern nach Las Vegas

Die Eroberung Amerikas mit dem Moped

von Redaktion

Von Anton Renner

Lengdorf – Normalerweise ist es an einem Samstagvormittag in Lengdorf (Kreis Erding) ruhig. Doch an diesem Tag ist alles anders. Der halbe Ort ist auf den Beinen, als die Wittmann-Buam in Krachlederner und Trachtenjanker mit ihren zwei babyblauen Zündapps C50 Super, Jahrgang 1968 und 1969, vor dem Rathaus vorfahren. „Alma“ und „Berta“ haben Julian und Thomas ihre „Flitzer“ getauft, die sie von einem Schrottplatz geholt haben. Mit einer Höchstgeschwindigkeit von 40 Kilometern pro Stunde wollen sie Amerika erobern.

Etwa drei bis vier Monate werden die Brüder unterwegs sein. Dabei haben sie nur, was in der Holzkiste Platz hat, die sie auf einem Anhänger hinter ihren Mopeds nachziehen. Darin befindet sich das Notwendigste: ein Zelt, ein kleiner Benzinkanister und Ersatzteile. „Mehr brauchen wir auch nicht“, sagt der 25-jährige Julian. Beide wollen für eine Zeit raus aus dem täglichen Hamsterrad, aus der Enge ihres idyllischen Ortes.

Die Spezln der beiden finden die Idee „geil“, ältere Lengdorfer nennen das Vorhaben „verrückt“. In der 3000-Seelen-Gemeinde haben die Wittmann-Brüder aber schon vor ihrer Rückkehr Kultstatus. Von Bürgermeisterin Gerline Sigl werden Julian und Thomas im Rathaus zum Eintrag ins Goldene Buch der Gemeinde empfangen. Die Erdinger CSU-Landtagsabgeordente Ulrike Scharf ist mit einem Trabbi nach Lengdorf gekommen. Sie übergibt den Brüdern je ein Kärtchen mit dem Text der Bayerischen Nationalhymne und einen Christopherus. Er soll die Brüder auf ihrer abenteuerlichen Reise beschützen.

Benzingeruch schwängert die Luft und über dem Rathausplatz steigt eine weißblaue Abgaswolke auf, als die mehr als drei Dutzend Freunde und Bekannten, die ebenfalls mit alten Zündapp-Mopeds oder sonstigen urigen fahrbahren Untersätzen gekommen sind, ihre Vehikel starten. Im Konvoi bringen sie die Wittmann-Brüder auf der Landstraße ins zehn Kilometer entfernte Erding. Dort starten die beiden Abenteurer aus Lengdorf nach einem zünftigen Frühschoppen endgültig in ihr Abenteuer. Von München geht die Reise nach Antwerpen. Von dort aus geht es mit einem Containerschiff weiter nach New York und dann quer durch die USA zur Wüstenstadt Las Vegas. Passender Weise spielt zum Abschied die Band „Dreibauf“ – das steht im Bayerischen für aktive, umtriebige Menschen. Beides passt auf die Wittmann-Brüder.

Julian ist Musikkabarettist, Drehbuchautor und „Alibi-Student“, wie er sich selbst bezeichnet. Er studiert Theaterwissenschaft im Master an der LMU. Der 22-jährige Thomas ist gelernter Immobilienkaufmann – mit einem Hang zum Film. Er hat schon bei einigen Fernsehserien und Kinofilmen mitgespielt, etwa in „Sommer in Orange“ und „Die Perlmutterfarbe“ von Marcus H. Rosenmüller.

Die Idee zu der ungewöhnlichen Reise ins 11 000 Kilometer entfernte Las Vegas ist im Frühjahr in einem Münchner Biergarten entstanden. „Dort übermannte mich ein plötzlicher Drang, in die weite Welt hinauszureisen“, erinnert sich Julian Wittmann. Er erzählte seinem Bruder von dieser „Fernwehattacke“ – so entstand das Projekt, das die beiden „Ausgrissn“ nennen.

Der Titel steht für die Suche nach „a bissal Freiheit“. In Amerika wollen Julian und Thomas erleben, wie frei man sich dort wirklich fühle. Begleitet werden sie dabei von einem Kamerateam, das ihnen im Wohnmobil folgt. Entstehen soll ein Roadmovie, ein Dokumentarfilm. 2019 soll er in die Kinos kommen. „Es wird eine Reisedokumentation, die zeigt, wie zwei Bayern ihren Traum von Freiheit leben“, sagt Julian. Dass es dabei nicht bierernst zugehen wird, weiß, wer den Gaudiburschen von seinen Auftritten her kennt. Wer will, kann die Reise der Brüder aber schon vorher verfolgen: im Internet unter www.ausgrissn.de und unter #ausgrissn in den sozialen Netzwerken.

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