Wegen Untätigkeit bei Fahrverboten

Gerichtshof erwägt Beugehaft für Politiker

von Redaktion

Von Sascha Karowski

München – Allmählich wird die Luft dünner. Nachdem der Freistaat mehrfach Fristen hat verstreichen lassen und stattdessen lieber Zwangsgelder überwies, will der Verwaltungsgerichtshof nun die Ultima Ratio prüfen lassen. Er erwägt, eine Beugehaft für Amtsträger EU-rechtlich prüfen zu lassen. Es habe sich gezeigt, dass Bayern auch unter dem Druck von Zwangsgeldern bei der Änderung von Luftreinhalteplänen und Vorbereitung von Dieselfahrverboten für München nicht einlenke, schrieb das Gericht an die Deutsche Umwelthilfe und die Landesregierung. Betroffene könnten der zuständige Fachminister Marcel Huber oder Ministerpräsident Markus Söder (beide CSU) sein.

Wie berichtet, hatte das Bundesverwaltungsgericht zuletzt im Februar geurteilt, dass Kommunen grundsätzlich Dieselautos in bestimmten Straßenabschnitten zur Senkung der Luftbelastung aussperren können. Tatsächlich aber muss der Freistaat für derlei Maßnahmen im sogenannten Luftreinhalteplan die gesetzliche Grundlage schaffen, damit die Stadt München eine Handhabe hat.

Die Stadtverwaltung wartet jedoch immer noch, denn die Frage ist nach wie vor offen, welche Konsequenzen der Freistaat aus der Grundsatzentscheidung des Bundesverwaltungsgerichts für die Fortschreibung des Luftreinhalteplans in München zieht. Ganz abgesehen davon, dass laut Umweltreferat Fahrverbote nicht praktikabel umsetzbar und kontrollierbar sind, solange der Bund keine blaue Plakette zur Kennzeichnung abgasarmer Diesel-Pkw einführt.

Kritik an der Renitenz der Staatsregierung kommt nun auch aus dem Bundesumweltministerium. Dessen Chefin Svenja Schulze (SPD) hat ein Einlenken des Freistaats gefordert. Dem Bayerischen Rundfunk sagte sie am Montag, die europäische Ebene baue immer mehr Druck auf. „Wir werden verklagt werden, wenn jetzt nicht endlich etwas passiert, und die Landesregierungen müssen umsetzen.“ Es sei wirklich unglaublich, dass die CSU sich so wenig um die Gesundheit der Menschen kümmere. Sie als Ministerin könne nur Druck machen, doch die Landesregierung müsse die Schutzmaßnahmen gegen zu hohe Stickoxidwerte tatsächlich umsetzen. Stickstoffdioxid sei „ein Reizgas, das ist für Kinder, für ältere Menschen wirklich unglaublich gefährlich“. Von ihrem Kabinettskollegen, Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU), forderte Schulze: „Er muss ein Regelwerk in Kraft setzen, damit Pkw wirklich nachgerüstet werden können.“ Schulze möchte durch Hardwarenachrüstungen bei Dieselautos Fahrverbote vermeiden. Bislang bieten die Autobauer nur ein Update für die Software ihrer Dieselautos.

In der Staatskanzlei blickt man derweil mit Gelassenheit auf eine mögliche Entscheidung der Richter in Luxemburg. „Die Drohung mit Zwangshaft für Beamte und Politiker hat im deutschen Recht keine Rechtsgrundlage und ist daher unverständlich und absurd“, sagte Staatskanzleiminister Florian Herrmann (CSU) auf Anfrage unserer Zeitung. „Man muss sich schon sehr darüber wundern, wie das Gericht hier die Grenzen des Rechtsstaats im Übermaß auslotet.“

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