Königsdorf – Michal N. hatte sich das schillernde Leben einer Großstadt erhofft, als sein Onkel Robert P. ihn im Februar 2017 bat, ihn von Stettin (Polen) nach Deutschland zu fahren. Stattdessen strandete der junge Mann in einem Häuschen ohne Strom, mitten auf dem Land nahe Bamberg. Enttäuscht gab er sich seiner Musik und diversen Ecstasy-Tabletten hin, bis er in der Nacht des 22. September 2017 von seinem Onkel aufgefordert wurde, etwas Massives zu schleppen. Da ahnte er angeblich schon, dass er bei einem krummen Ding mitmachen würde. Dass er in eines der schwersten Verbrechen Oberbayerns geraten würde, überstieg allerdings seine Vorstellungskraft.
So vermeintlich ahnungslos jedenfalls begann gestern seine Aussage im Mordprozess von Höfen (Kreis Bad Tölz-Wolfratshausen) vor dem Landgericht München II. Dort muss sich das polnische Trio wegen Mordes aus Heimtücke und Habgier verantworten. Mit auf der Anklagebank sitzt Malga L. (50), die Schwester von Robert P. Sie soll im Spätsommer 2016 den todkranken Mann der Königsdorferin in Höfen (Kreis Bad Tölz-Wolfratshausen) gepflegt und ihrem Bruder einen Tipp über die guten finanziellen Verhältnisse gegeben haben.
Vorsitzender Richter Thomas Bott ließ deutlich erkennen, dass er dem jungen Angeklagten die Ahnungslosigkeit nicht abnahm. Dessen Schilderung zufolge war der 25-Jährige an jenem Septemberabend nur mitgefahren, um nicht allein in Bamberg bleiben zu müssen. Der mitangeklagte Jakub G. (34), den alle Kuba nennen und der bislang als einziger Angeklagter ausgesagt hatte, belastete ihn allerdings einer gewissen Mittäterschaft, sich selber ließ er jedoch außen vor.
Ähnlich unschuldig gab sich auch Michal N.: Er hatte im versteckten Auto vor sich hingedämmert, bis der Onkel zurückkam und ihn aufforderte mitzukommen. „Ich sollte etwas Schweres rausholen“, ließ der 25-Jährige übersetzen. Es sollte sich um den Safe handeln, den der junge Mann später mithilfe von Seilen auf ein Feld schleppte. Er traute sich nicht, dem dominanten Onkel zu widersprechen.
Am Zaun, der das Anwesen der verwitweten Königsdorferin (77) in Höfen umgab, hatte zuvor Komplize Kuba im Gebüsch gewartet. Der hob Robert P. hoch, der 44-Jährige riss die Bewegungsmelder ab. Michal N. erinnerte sich an einen Riesenknall und einen Blitz. Er befürchtete, dass sämtliche Nachbarn aufgewacht wären, doch nichts passierte. Die drei Männer gingen in das Haus, das Fenster stand schon offen. Unten im Erdgeschoss durchsuchten sie die Schränke. Michal N. erinnerte sich an einen Wäschekorb, in dem sich schon ein Computer befand. Nun gingen die Einbrecher in den ersten Stock, in dem die Hausbesitzerin und zwei Bekannte (81 und 76 Jahre) nächtigten.
Der 25-Jährige will sich mühsam die Treppe raufgeschleppt haben. „Es war heiß, ich habe geschwitzt, die Drogen wirkten. Ich musste mich am Geländer halten, um nicht zu stürzen“, beschrieb er die vermeintlich jämmerliche Situation. Von der bestialischen Attacke gegen die drei Senioren, welche die Bekannten der Königsdorferin nicht überleben sollten, will er wenig, wenn gar nichts mitbekommen, geschweige denn Hand angelegt haben. „Es gab einen schrecklichen Krach, jemand schrie, ich wusste nicht, was zu tun ist“, erzählte er. Sein Onkel habe die Frau überwältigt. Er habe Kuba mit zwei Körpern gesehen, eine Treppe voller Blut, ihm hätten die Beine gezittert, dann habe er nach einem Schraubenzieher suchen müssen. Der Prozess dauert an.