Debatte um den Zölibat

Die Frau des Pfarrers

von Redaktion

Von Kathrin Brack

Wartenberg – Margarete ist 18, als sie ihre große Liebe trifft. Johannes, 29, ein kluger, attraktiver Mann, dunkles Haar, dunkle Augen. Fröhlich und sehr musikalisch. „Es war, als würden wir uns schon immer kennen“, sagt sie. Erst sind die beiden Freunde, dann werden sie ein Liebespaar. Doch ihre Liebe ist verboten. Es ist August 1966, als Johannes Feller Kaplan in einer Koblenzer Pfarrei wird. Margarete leitet die Jugendgruppe. Dass sie zusammen sind, ist ein Geheimnis.

Wenn sie Ausflüge machen, in Tanzlokale gehen, dann mindestens 30 Kilometer von zu Hause entfernt. „Keiner durfte etwas wissen, nicht die Mutter und nicht die Freundin“, sagt Margarete Feller. Sie konnte niemandem erzählen, dass sie einen Freund hat. „Damals fand ich das nicht schlimm, es hatte etwas Spannendes.“ Erst später merkt sie, wie schlimm die Heimlichkeit war. Sie leidet bis heute unter innerer Unruhe und Ängsten.

Margarete Feller ist eine schlanke, blonde Frau, der man die rheinländische Herkunft nach Jahrzehnten in Bayern noch anhört. Die 69-Jährige sitzt in ihrem Haus in Wartenberg im Kreis Erding. Johannes Feller, ihr Ehemann, der Vater ihrer beiden Töchter, ist vor 25 Jahren gestorben, an Krebs. Und, da ist sie sich sicher, aus Gram darüber, dass er nicht Ehemann, Vater und Priester sein konnte. Jahrzehntelang haben ihre Geschichte nur enge Freunde gekannt. Die erneute Debatte um den Zölibat weckt Erinnerungen. Nun will Margarete Feller ihre Geschichte erzählen, für ihren Mann.

1967 wird Johannes Feller Pfarrverwalter der Koblenzer Pfarrei. Bei einem Urlaub in Bayern sieht eine Bekannte das Paar, die Aufregung daheim in Koblenz ist groß. „Vor allem meiner Mutter gegenüber waren die Leute boshaft“, sagt Margarete Feller. „Ich glaube, heute wären die Menschen verständnisvoller.“

In ihrer Pfarrei gibt es einige, die mit der Situation nicht umgehen können und gehässig reagieren. Die Mutter, die hinter dem jungen Paar steht, erhält Anrufe und wird beschimpft. „Ich kann hier nicht mehr über die Straße gehen“, sagt sie zu ihrer Tochter. Und zieht in einen anderen Stadtteil. Das Paar lebt zu diesem Zeitpunkt schon nicht mehr in Koblenz.

Johannes Feller hat sich fürs Studium beurlauben lassen. Er und Margarete gehen nach München. Im Jahr darauf heiraten sie, erst standesamtlich, „das ging problemlos“. Johannes Feller gibt wahrheitsgemäß an, dass er Student ist. Er verschweigt, dass er geweihter Pfarrer ist. Später heiraten er und Margarete auch kirchlich, mit Erlaubnis der Erzdiözese. Aber mit der Auflage, dass die Trauung geheim, ohne Aufgebot, Trauzeugen und Eintrag in die Kirchenbücher vollzogen wird.

Johannes Feller entscheidet sich, sich laisieren zu lassen. Was bedeutet, dass er seine priesterlichen Tätigkeiten nicht mehr ausüben darf. „Sie haben ihm die Tätigkeit seiner Berufung weggenommen. Das ist so, als würde man einem Maler sagen, er darf nicht mehr malen – nur, weil er sich für Frau und Kinder entscheidet.“

Zwei Jahre dauert es, bis aus Rom die Bestätigung kommt. In seine Gemeinde in Koblenz und in seinen Heimatort darf Johannes Feller nun auf Geheiß des Vatikans nicht mehr zurück. Die Kirche verbietet ihm außerdem, im Altarraum bei der Messe mitzuwirken, nicht einmal als Lektor.

Das erste Kind, das das Paar im Oktober 1969 erwartet, stirbt direkt nach der Geburt. Sie bringen den Buben weg, ohne, dass sich Margarete verabschieden kann. Eine Tante sagt: „Gott nimmt sich zurück, was man ihm genommen hat.“ Später bekommt das Paar zwei Töchter, vier Enkelkinder werden geboren. „Die gäbe es nicht, wenn wir diesen Weg nicht gegangen wären.“ Margarete Feller glaubt nicht, dass Gott sie bestrafen wollte. Und Margarete Feller ist eine gläubige Frau, nach wie vor. Sie ist nicht aus der katholischen Kirche ausgetreten. Anders als ihr Mann. „Zwei Tage vor seinem Tod ist er zur Gemeinde gegangen.“

Johannes Feller hat sich in seinen letzten Jahren von der Familie entfernt. Er ist depressiv, hört schwermütige Musik. Dann wird er krank. Der Krebs hat bald große Teile seines Körpers befallen. Er legt sich nicht hin, weil er fürchtet, nicht wieder aufstehen zu können. „Er saß den ganzen Tag in seinem Sessel.“

Margarete Feller macht keine Schuldzuweisungen. Dennoch: Das Vorgehen der katholischen Kirche gegenüber ihren Geistlichen bezeichnet sie als unmenschlich. „Priester sind besondere Menschen, stehen immer auf einem Podest.“ Die Laisierung sei wie ein Absturz für ihren Mann gewesen. „Er hat nie gesagt, dass ihm durch die Heirat etwas fehlen würde“, sagt sie. Aber gemerkt hat sie es doch.

Kurz bevor er stirbt, hält Johannes Feller eine Art Messe im Wohnzimmer ab, die Tochter legt ihm die Soutane an. Metastasen haben sein Gehirn befallen, er fantasiert. Es kommen befreundete Pfarrer, auch der Ortsgeistliche. „Das war unheimlich und grenzwertig“, sagt Margarete Feller. „Vor allem für die Kinder.“ Die hatten schon früh erfahren, dass der Vater Pfarrer gewesen ist. „Sie gehen damit ganz offen um.“

Nach dem Tod ihres Mannes wird Margarete Feller Hospizhelferin und Trauerbegleiterin, bis 2010 begleitet sie Sterbende und deren Angehörige. Sie lernt ihren jetzigen Partner kennen, mit dem sie vor zehn Jahren nach Wartenberg zieht. Wenn sie zurückdenkt, sagt sie, war es gut, dass ihr Mann am Ende seines Lebens noch einmal tun konnte, was ihm am Herzen lag. Inmitten seiner Familie und mit seinen Freunden eine Messe als Priester feiern – was ihm die Kirche verwehrt hatte. 24 Jahre sind sie verheiratet gewesen. „Und ich bereue nichts. Ich durfte meine große Liebe heiraten und lange Jahre mit einem besonderen Menschen zusammenleben.“

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