München – Die Fibel-Methode ist am besten. Das besagt eine Studie der Universität Bonn, die die orthografischen Kenntnisse von 3000 Grundschülern in Nordrhein-Westfalen überprüft hat. Die Forscher vom Institut für Psychologie fanden heraus, dass Schüler nach der Fibel-Methode – wonach Buchstaben und Wörter schrittweise nach festen Vorgaben geübt werden – am wenigsten Fehler machten. Nun tobt der Streit unter Bildungsexperten. Der Präsident des Deutschen Lehrerverbands, Heinz-Peter Meidinger, lehnte sich am weitesten aus dem Fenster. Er forderte schlicht, dass die Anwendung der alternativen Methode „Lernen durch Schreiben“ verboten werden müsse – auch in Bayern. In Hamburg und Baden-Württemberg gebe es schon so ein Verbot.
Ein Verbot kommt für Kultusminister Bernd Sibler (CSU) aber nicht infrage. „Die Anwendung einer einzigen Methode, die absolut gesetzt wird, greift im Schriftspracherwerb viel zu kurz“, erklärt er. Über die Frage, wie verbreitet speziell die umstrittene, jetzt durch die Bonner Studie verdammte Methode „Lernen durch Schreiben“ in Bayern wirklich ist, gehen die Meinungen auseinander. Sibler erklärt schlicht: „An bayerischen Grundschulen kommt die Methode ,Lesen durch Schreiben‘ nicht zum Einsatz.“ Meidinger bezweifelt das: „An einzelnen Grundschulen überwiegend“, an „vielen“ werde sie wohl unter dem Einfluss einer falschen Reformpädagogik „teilweise“ eingesetzt. Eine verlässliche Erhebung gibt es nicht.
Hinter Meidingers Verdikt mag auch die Befürchtung stehen, dass frühere Gewissheiten in der Didaktik nicht mehr gelten. So hat das bayerische Kultusministerium mit der Einführung des „Lehrplans plus“ auf sogenannten kompetenzorientierten Rechtschreibunterricht umgestellt. Weniger Pflichten, mehr Freiraum für Lehrkräfte, so lässt sich das wohl zusammenfassen. In einem Grundschul-Newsletter des Kultusministeriums von diesem Jahr wird den Lehrkräften empfohlen, auf die früher üblichen Nachschriften zu verzichten. Nachschriften sind Texte, die zu Beginn der Woche eingeführt, danach geübt und am Ende der Woche durch eine Leistungserhebung 1:1 abgeprüft werden. „Es wird lediglich ein kurzfristiges Abspeichern erreicht“, heißt es nun.
Auch Diktate werden als „eine mögliche“ – das heißt also nicht die alleinige – „Form der Leistungserhebung“ bezeichnet. „Wie häufig Formen des Diktats in Leistungserhebungen zur Rechtschreibung einfließen, entscheidet die Lehrkraft in pädagogischer Verantwortung“, erklärt das Kultusministerium. Das ist Meidinger entschieden zu wenig: Er fordert, „die weitgehende Ächtung und Abschaffung von benoteten Diktaten an Grundschulen und mittlerweile auch an weiterführenden Schulen in Bayern“ rückgängig zu machen.
Dagegen wehrt sich Simone Fleischmann, Präsidentin des Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverbands. „Das Diktat ist keine Messlatte mehr“, sagt sie. Es könne auch „in eine Reihe weiterer Aufgaben eingebettet“ werden, heißt es im Grundschul-Newsletter, beispielsweise in Lückentexten. Fleischmann sagt: Was ihr Lehrerkollege Meidinger – er ist Schulleiter eines Deggendorfer Gymnasiums – verkünde, sei „old school“, also Pädagogik von gestern.