ungelöste Mordfälle

„Solche Fälle nagen an uns Ermittlern“

von Redaktion

von Katrin Woitsch

München – Niemand weiß, was Luise Zimmermann am 7. Juni 2009 durchgemacht hat. Die Rentnerin war zu einer Wanderung nach Aying im Kreis München aufgebrochen. An einem Rastplatz im Egmatinger Forst muss sie ihrem Mörder begegnet sein. Zwei Wochen später wurde ihre unbekleidete Leiche im Wald gefunden. Sie wurde mit Benzin übergossen und verbrannt. Der Mordfall beschäftigt die Ermittler seit neun Jahren. Sie haben eine Parallele zu einem Fall aus dem Jahr 2006 gefunden. Damals wurde eine 67-Jährige gefesselt und halb nackt an einem Baum gebunden. Sie überlebte. Doch ob es sich um denselben Täter handelt, ist nach wie vor unklar. Bis der Schuldige gefunden ist, gilt der Fall Luise Zimmermann als ungelöst – so wie 188 weitere Mordfälle in Bayern.

Sie beschäftigen nicht nur die Mordkommissionen in Bayern, sondern auch die SPD-Landtagsfraktion. Sie hat eine entsprechende Anfrage ans Innenministerium gestellt. Bayernweit hat die Polizei von 1986 bis Ende vergangenen Jahres 4459 Morde verzeichnet. Die meisten ungeklärten Morde gibt es in Schwaben, nämlich 31. Oberbayern liegt mit 21 auf Platz drei.

Einige dieser Fälle gehen immer wieder durch die Medien. Der Fall der 26-jährigen Maria Baumer aus Regensburg zum Beispiel, deren skelettierte Leiche ein Pilzsammler 2013 fand. Zeitweise stand ihr Verlobter unter Tatverdacht, doch bis heute gibt es keine Beweise. Oder wie der Fall von Domenico Lorusso, besser bekannt als „Isarmord“. Der 31-Jährige wurde 2013 auf offener Straße in München von einem Fremden durch einen Stich ins Herz getötet. Trotz etlicher Zeugen gibt es keine Spur zum Täter.

SPD-Fraktionschef Markus Rinderspacher fordert für Bayern nun eine Spezialeinheit für ungelöste Mordfälle. In Hamburg oder Nordrhein-Westfalen gibt es diese sogenannten Cold-Case-Einheiten bereits. „Die Aufklärung alter Kapitalverbrechen wird so wahrscheinlicher“, argumentiert Rinderspacher. Die Polizei hat da Zweifel.

Beim Präsidium in München werden auch die ungelösten Fälle von den Mordkommissionen bearbeitet, berichtet ein Sprecher. Einige Mitarbeiter hätten sich auf die Altfälle spezialisiert. „Eine eigene Spezialeinheit würde keinen Sinn machen.“ Ähnlich sieht das Jürgen Thalmeier, Sprecher des Polizeipräsidiums Oberbayern Süd. „Im ländlichen Raum gibt es nicht genug ungelöste Mordfälle für eine eigene Einheit“, sagt er. Doch auch die wenigen ungelösten Fälle landen nicht für immer im Archiv. „Mord verjährt nie“, betont Thalmeier. „Die Ermittlungen an den Alt-Fällen laufen im Hintergrund immer wieder an.“ Die Soko werde meist deutlich reduziert, wenn alle Spuren ausgewertet, alle Zeugen vernommen sind und es keine neuen Hinweise mehr gibt. Das jeweilige Fachkommissariat befasst sich in unregelmäßigen Abständen aber immer wieder mit einem ungelösten Fall. Das sei schon deshalb manchmal erfolgreich, weil sich die Technik und die Untersuchungsmethoden weiterentwickeln, erklärt Thalmeier. „Auch die Telekommunikation können wir heute ganz anders auswerten als vor 20 Jahren.“ Damals mussten sich die Ermittler einen Tatort noch anhand von Skizzen vorstellen, heute können sie sich virtuell dort bewegen, erklärt er. Und immer wieder kommen auch neue Zeugen ins Spiel, berichtet er. „Manche Menschen melden sich nach Jahren, weil sie die seelische Belastung nicht mehr ertragen. Oder weil sich Beziehungen geändert haben.“

Thalmeier betont: „Das nagt an einem Ermittler, wenn ein Tötungsdelikt nicht aufgeklärt wird. Schon aus Ehrgeiz wird ein ungelöster Fall nie abgeschlossen.“ An manchen der 189 offenen Fälle ermittelt die Kripo schon seit Jahrzehnten.

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