Ihm gelang 2014 der Überraschungscoup: Wolfgang Rzehak (50) schlug in einer Stichwahl den Bewerber der Freien Wähler und wurde als Kandidat der Grünen Landrat in Miesbach. Im Kreistag muss er mit der CSU kooperieren, die dort nach wie vor die stärkste Kraft ist. Er fordert die CSU auf, Beißreflexe gegen die Grünen endlich abzulegen.
-Ist Schwarz-Grün für Sie realistisch?
Die BR-Umfrage ist eine Momentaufnahme, das sieht man als Grüner natürlich gerne, aber ich rate zur Vorsicht. Abgerechnet wird am 14. Oktober, 18 Uhr. Fest steht: Alle Demokraten können zusammenarbeiten. Es gibt zwei Ausnahmen – mit der AfD würden wir Grünen in Bayern genau so wenig zusammenarbeiten wie mit den Linken. Eine Viererkoalition aus Grünen, SPD, Freien Wählern und FDP geht auch nicht – sie wäre vollkommen instabil.
-Also bleibt nur Schwarz-Grün?
Möglich. Im Moment aber dürfte eher die CSU ein Problem mit den Grünen haben, nicht umgekehrt.
-Warum?
Mit einer CSU in diesem Zustand wäre eine Koalition derzeit sehr, sehr schwer zu vereinbaren – und das nicht nur wegen der verbalen Ausfälle wie „Asyltourismus“ oder der „Migration als Mutter aller Probleme“. Damit hat sich die CSU an den rechten Rand angebiedert, in der irrigen Hoffnung, dadurch Wähler zurückzugewinnen. Das Gegenteil ist eingetreten: Man hat die liberalen Wähler verschreckt. Die CSU ist wirklich etwas von der Rolle, ihr Selbstbild ist beschädigt. Das ist die CSU nicht gewöhnt – sie ist nicht mehr alleinbestimmend, sondern nur noch mitbestimmend.
-Die Miesbacher CSU kennt das Gefühl seit vier Jahren…
Ja, so einen Totalabsturz vom „Wir sind die Staatspartei“ zum „Ja, wir dürfen noch mitbestimmen, sind aber nicht mehr die alleinigen Bestimmer“ zu verkraften, ist sehr schwer. Das musste in Bayern auch die Basis erst mal verstehen, von der Führungsriege ganz zu schweigen. Ich glaube trotzdem, dass Schwarz-Grün möglich wäre, wenn das Personal stimmt.
-Auf wen spielen Sie an?
Mit einem Ministerpräsidenten Söder, der ja bei einem Wahlergebnis von vielleicht 35 Prozent angeschlagen wäre, wird so eine Koalition sehr schwer. Man bräuchte eine verbindliche Koalition, mit Personen, die einander Erfolge gönnen. Das funktioniert zum Beispiel in Hessen sehr gut. Ich sag es mal so: Herr Söder, so wie man ihn bisher erlebt hat, würde den Grünen nicht das Schwarze unter den Fingernägeln gönnen. Er würde vielleicht sogar mehr versprechen als andere Kandidaten. Aber beim ersten Streitpunkt wäre der Versuch da, uns Grünen das Gnack zu brechen.
-Wer wäre Ihnen denn lieber als Söder?
Ilse Aigner finde ich als Person sehr angenehm. Ich habe natürlich den Vorteil, dass sie in unserer Region wohnt und wir uns gegenseitig wertschätzen. Wir haben in vielen Punkten eine gegenteilige Meinung, aber man weiß, man kann sich aufeinander verlassen. Was sie sagt, das hält sie auch. Es gibt auch andere Personen, die nicht diese Beißreflexe gegen die Grünen haben, ich nenne als Beispiele Marcel Huber, Manfred Weber oder Bernd Sibler. Solange aber die Dobrindts, die Scheuers, die Söders den Ton angeben, wird es sehr schwer.
-Welche inhaltlichen Schnittmengen gibt es zwischen CSU und Grünen?
Beide sind wertkonservativ. Das Erhalten, das Bewahren, der Erhalt der Schöpfung ist den Konservativen wichtig. Die Grünen sprechen eher von Nachhaltigkeit, aber meinen letztlich dasselbe. Bei Themen wie Landschaftsschutz, Tierschutz und ökologische Landwirtschaft gibt es viele vernünftige Leute bei der CSU.
-Es gibt aber auch Streitthemen. Die Grünen fordern im 10-Punkte-Wahlprogramm längeres gemeinsames Lernen. Mit der CSU ist das nicht zu machen.
Das ist wie immer bei Parteiprogrammen eine Maximalforderung. Eine Koalition lebt von Kompromissen, sonst funktioniert es nicht. Ich persönlich glaube: Wir haben ein ganz gutes Schulsystem bei uns in Bayern. Das ist jetzt vielleicht nicht Mainstream bei den Grünen. Aber die Dreigliedrigkeit hat sich verbessert, die Durchlässigkeit ist viel stärker geworden als noch in meiner Jugend. Auch die Mittelschulen machen gerade bei uns auf dem Land eine sehr gute Arbeit. Natürlich wäre es gut, wenn es parallel dazu auch Schulen geben würde, wo man sich erst später entscheiden muss, welche weiterführende Schule man besucht.
-Und die dritte Startbahn?
Die Startbahn ist ein No-Go, da sind wir gleich bei den Themen Siedlungsdruck und Flächenverbrauch gerade im Münchner Norden. Der Erdinger Oberbürgermeister, ein CSUler, hat es ja auch gesagt: Wir können nicht noch mehr Druck im Kessel aushalten. Die zwei Startbahnen reichen. Ich glaube, dass die CSU da sehr flexibel sein würde. Die Startbahn wäre nicht der Knackpunkt.
-Sie müssen mit der CSU im Kreistag zusammenarbeiten, weil Sie keine Mehrheit haben. Ist Kommunalpolitik weniger ideologisch?
Der Gehsteig ist weder grün noch schwarz. Ein Gemeinderat oder Kreistag ist kein Parlament, sondern ein Organ. Demzufolge gibt es auch eigentlich keine Opposition, das wird nur in Großstädten so betrachtet. Und ja, man muss um die Sache streiten – bei jedem einzelnen Thema.
-Muss man auf die CSU, sollte sie unter 40 Prozent rutschen, besondere Rücksicht nehmen?
Man sollte sie weder wie rohe Eier behandeln noch sollte man sie treten. Ein geschlagener Hund beißt halt gern, aber die Selbstheilungskräfte der CSU sind, so glaube ich, schon groß. Sie werden sich auch bei so einem Ergebnis schnell erholen. Demokratie lebt vom Wechsel, eine Wahl ist eine Momentaufnahme, aber nicht die ewige Ehe eines Wählers mit einer Partei. Das muss die CSU wohl noch lernen.
Das Interview führte Dirk Walter