München – Was hat er denn jetzt schon wieder gesagt? In Bayern stöhnen katholische Laien, Männer wie Frauen, auch Seelsorger, sogar dezidierte Franziskus-Fans auf. Papst Franziskus, vor fünfeinhalb Jahren als Hoffnungsträger ins Amt gewählt, hat mit einer spontanen Äußerung zur Abtreibung für heftige Diskussionen gesorgt. Bei der Generalaudienz hatte er zum Fünften Gebot „Du sollst nicht töten“ gepredigt und dabei auch auf Schwangerschaftsabbrüche verwiesen. „Es ist nicht gerecht, einen Menschen umzubringen, auch wenn er klein ist. Es ist, wie einen Auftragsmörder zu mieten, um ein Problem zu lösen.“ Ein Vergleich, der selbst bei treuen Katholiken auf Ablehnung stößt. Christen, die keinesfalls in Verdacht stehen, Abtreibungen zu befürworten. Auch sie sagen: Abtreibung bedeutet die Tötung eines Menschen. Aber es gebe Notlagen von Frauen, die eine differenzierte Betrachtung erforderten und wo die Hilfe im Vordergrund stehen sollte.
„Ich bin sehr erschrocken, weil es auch dem nicht gerecht wird, was Papst Franziskus in anderen Zusammenhängen im Sinne der notwendigen Barmherzigkeit der Kirche im Umgang mit Menschen in Nöten selbst formuliert hat“, sagt Alois Glück (CSU), früherer Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken und ehemaliger Landtagspräsident. Der Katholik, der zu den Gründungsmitgliedern des Schwangerenberatungsvereins „Donum Vitae“ gehört, sieht in den Äußerungen von Franziskus Widersprüche, „die letztlich auch sein Pontifikat immer wieder belasten“. Er befürchtet, dass diese Formulierung Frauen in Not davon abhalten könnte, Beratungsstellen mit christlichem Hintergrund aufzusuchen, weil sie befürchteten, keine entsprechend den Nöten der Menschen zugewandte Beratung zu erhalten. „Donum Vitae“ war gegründet worden, nachdem der Vatikan der Kirche in Deutschland untersagt hatte, sich am staatlichen Schwangerschaftsberatungssystem zu beteiligen. Seither versucht der Verein mit seinem Beratungsangebot, möglichst viele Schwangere in Not zu überzeugen, ihr Kind doch auf die Welt zu bringen.
Mit ausgesprochenem Unverständnis reagiert auch Rita Spangler (74), ehemalige Vorsitzende der Katholischen Frauengemeinschaft (kfd) im Münchner Erzbistum, auf den Vergleich des Papstes: „Bis jetzt hat er bei vielen Themen die Barmherzigkeit immer an oberste Stelle gestellt. Das passt überhaupt nicht zu einem solchen radikalen Ausspruch.“ Der weit überwiegende Teil der Frauen, die sich zu einer Abtreibung durchringen, tue es nicht leichtfertig. Und leide darunter. „Unter welchem Druck der Papst sich jetzt zu einer so unchristlichen Formulierung hinreißen ließ, ist für mich nicht nachvollziehbar.“ Die Kirche befinde sich gerade „in einem Riesenstrudel mit dem Missbrauchsskandal, da passt es wie die Faust aufs Auge, dass jetzt in einem anderen so sensiblen Bereich so eine harte Kante gezeigt wird“. Da hätte er sich besser zu dem Thema gar nicht äußern sollen. „Wenn ein so schwerwiegender Vorwurf weltweit in der Kirche wabert, dann darf man nicht noch ein anderes Fass mit einer solchen Intensität öffnen“, sagt die engagierte Katholikin und eigentliche Franziskus-Bewunderin und schüttelt den Kopf .
Der Münchner Pfarrer und Buchautor Rainer Maria Schießler ist empört: „Das ist eine furchtbare Formulierung! Ich bin erschrocken, als ich das gehört habe, und ich kann mir nicht erklären, warum Papst Franziskus diese Worte gewählt hat. Auch ich bin ein entschiedener Abtreibungsgegner und teile seine Meinung, dass man kein Problem lösen kann, indem man einen Menschen tötet.“ Aber man könne Abtreibungen nur verhindern, wenn man die Menschen davon überzeugt, dass jeder Mensch ein Geschenk ist. Das gehe nicht mit Drohungen. „Diese Aussage aber ist eine Form der Kriminalisierung. Ich kann jetzt praktisch drauf warten, einen Stapel Kirchenaustritte auf den Tisch zu bekommen. Ich hoffe aber, dass viele Menschen zu mir in die Kirche kommen, um darüber zu reden. Ihnen sage ich: Wir sind nicht Angestellte eines Papstes, wir können uns selber auf die Hinterbeine stellen und sagen: Das ist nicht unsere Meinung!“
Hans Tremmel, Vorsitzender des Münchner Diözesanrats, seufzt: „Wir brauchen derzeit sehr viel Geduld mit unserer Kirche.“ Zum Thema Abtreibung sagt er: „Natürlich sind wir alle in der katholischen Kirche gegen Abtreibung, aber wir müssen das Thema differenziert diskutieren, sonst versteht es in Kirche und Gesellschaft niemand mehr. Frauen in Not brauchen unsere Hilfe, nicht unsere Anklage.“
Kritik kommt auch aus der evangelischen Kirche. Regionalbischöfin Susanne Breit-Keßler macht klar: „Ein Mord setzt niedere Motive voraus. Eine solche Abwertung von Frauen, die sich – in welcher Not auch immer – nicht durchringen können, ihr Kind zur Welt zu bringen, wird ihnen nicht gerecht und verhindert einfühlsames Gespräch.“ Als Seelsorger müsse man auf die Probleme der Frauen eingehen und versuchen, „sie mit Leib und Seele zu gewinnen für ein Ja zu ihrem Kind. Statt schnell zu urteilen, höre ich erst einmal hin“. Mit der Frau gemeinsam eine Lösung für ein Leben mit Kind zu finden – „das dient dem Leben weitaus mehr“.