Das Martyrium von Meiling

von Redaktion

Es ist eine der bedrückendsten Anklagen des Jahres. Acht Männer überfallen ein älteres Ehepaar. Sie prügeln und treten auf die beiden ein und sperren die Bewusstlosen in eine Kammer. Er stirbt an ihrer Seite, sie wird nach zwei Tagen vom Zeitungsausträger gerettet. Gestern begann der Prozess.

VON ANGELA WALSER

Seefeld – Für Andreas und Markus K., die beiden erwachsenen Söhne der überlebenden Irmgard K., war es sicher ein schwieriger Moment. Im großen Sitzungssaal des Strafjustizzentrums in München, dort, wo fünf Jahre lang der NSU-Prozess verhandelt wurde, mussten sie gestern direkt hinter zwei der insgesamt acht Angeklagten Platz nehmen, die ihren Eltern so unglaubliches Leid angetan hatten. Doch der Platzmangel angesichts der acht Rumänen, zahlreicher Verteidiger und einer noch größeren Anzahl von Polizeibeamten ließ keine andere Sitzmöglichkeit zu. Überhaupt kam das Verfahren nur stockend in Gang. Es sollten 70 Minuten vergehen, bis Staatsanwältin Karin Jung endlich die Anklage verlesen konnte.

In der Nacht auf den 5. September 2015 hatten es die acht Männer, die in Österreich als Froschbande bekannt waren, auf das abgelegene Haus des Ehepaares K. in Meiling (Kreis Starnberg) abgesehen. Um Mitternacht lauerten sie Mesner Markus K. auf. Der hatte rauchend auf der Terrasse gestanden, nachdem Labrador-Hündin Lissy in der Nacht mehrmals angeschlagen hatte.

Der Überfall ging blitzschnell. Mit Holzprügeln und einer Eisenstange schlugen die Männer auf den 72-Jährigen ein. Sie zertrümmerten seinen Schädel und das rechte Schlüsselbein, brachen ihm mehrere Rippen und beide Ellenknochen. Der rechte Lungenflügel fiel zusammen, Markus K. erlitt einen erheblichen Blutverlust. Anschließend gingen die Täter auf die schlafende Irmgard K. los und brachen ihr mehrere Rippen. Ihre Schmerzen müssen immens gewesen sein.

Die Angeklagten, alle von auffallend kleiner Statur, verfolgten regungslos die Verlesung der Anklage, die ihnen Mord und versuchten Mord vorwirft. Später, bei der Vernehmung des Schwurgerichts München II, gaben sie sich als liebevolle Ehemänner und Familienväter aus. Und der grauenvolle Mord?

Keiner wollte da so richtig mitgemischt haben. „Es war eine Dummheit“, sagte Sever D. (51), der mit zwei Brüdern (55 und 49 Jahre) auf der Anklagebank sitzt. Er rühmte seine große Familie: „Gott hat mir elf Kinder geschenkt, die ich sehr liebe“, und beklagte seine Gesundheitsprobleme: Depressionen, Herzinfarkt, Diabetes und Asthma. Sein 55-jähriger Bruder, der aus Sicht der Anklage als Haupttäter gilt, beschrieb seinen Tatbeitrag als eine Art Zufall. „Ich bin mit den Jungs gefahren und sitze jetzt hier“, behauptete er.

Kurz nach dem Überfall, bei dem die Bande lediglich Bargeld und Schmuck im Wert von 4535 Euro erbeutet hatte, waren die Männer in einem Wiener Lokal festgenommen worden. Sie hatten in Österreich ähnlich schreckliche Raubzüge verübt und waren von der Polizei gesucht worden. Im Juli 2016 wurden sie zu Haftstrafen zwischen acht und 19 Jahren verurteilt. Die DNA-Spuren überführten sie als mutmaßliche Mörder von Meiling.

Die 70-jährige Irmgard K. und ihr Ehemann Markus hatten in der kleinen, nur zwei Quadratmeter großen Abstellkammer ein fürchterliches Martyrium durchleben müssen. Bis vier Uhr in der Früh lebte der Mesner noch, um sieben Uhr sei der 72-Jährige ungewöhnlich kalt gewesen, erinnerte sich seine schwer verletzte Frau später. Sie musste noch zwei Tage neben dem Leichnam ihres Mannes liegen, bis der Merkur-Zeitungsausträger Jörg Altmann sie rettete. Er hatte durchs Fenster aufgezogene Schubladen und offene Schranktüren gesehen. Deshalb klopfte er an die Scheibe und rief laut nach den Eheleuten. Statt einer Antwort vernahm er das Bellen eines Hundes, leises Wimmern und die Schläge eines Stocks. Per Handy alarmierte er die Polizei, lief anschließend in seiner Funktion als Kommandant zum Feuerwehrhaus, um eventuell beim Öffnen des Hauses helfen zu können. Doch das war nicht nötig. Die Terrassentür stand noch immer offen.

Der Prozess wird heute fortgesetzt.

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