Lenggries – Florian Huber ist Unterwasserarchäologe und Taucher. Der 43-Jährige hat bei seinen Expeditionen viele Winkel der Erde erkundet. Besonders oft zieht es den gebürtigen Lenggrieser, der derzeit in Kiel lebt, jedoch in seine oberbayerische Heimat. Vor allem die Tiefen des Walchensees faszinieren ihn. Er vermutet dort unzählige ungehobene Schätze.
Sie haben gerade ein Tauchercamp am Walchensee veranstaltet. Warum nicht in der Karibik oder zumindest der Nordsee?
Der Walchensee ist wunderschön. Und die Logistik ist gut. Egal, ob es schneit oder regnet – man kann immer tauchen gehen. Bei schlechtem Wetter kann ein Team im Meer dagegen oft nicht ins Wasser gehen, weil die Boote dann ja oft nicht rausfahren dürfen. Und der Walchensee ist archäologisch noch nicht so gut untersucht. Jedes Mal, wenn ich hier bin, erforschen wir seine Geheimnisse immer noch ein Stück weiter. Sogar aus Kairo war diesmal eine Archäologin dabei.
Sie sagen, im Walchensee könnten unzählige historische Schätze schlummern. Welche könnten das sein?
Der älteste bisherige Fund ist der Schädel eines Elchs, der 12 000 Jahre alt ist. Das ist der älteste Nachweis dieses Ur-Elchs in Bayern. Vor allem hoffe ich, dass wir Spuren der Menschen finden, die früher am Walchensee lebten. In der Nähe des Sees wurden bereits Stein-Werkzeuge gefunden. Ich halte es für wahrscheinlich, dass im See Einbäume liegen. Die finden wir überall in Bayern, etwa im Starnberger See. Einer davon war gut 2000 Jahre alt. Entdecken wir einen von ihnen im Walchensee, wüssten wir vielleicht endlich, wann dort erstmals gesiedelt wurde.
Welche Schätze schlummern in anderen Seen des Freistaats? Könnten dort Gold oder Silber liegen?
Ein Archäologe sucht nicht nach Gold und Silber. Wir suchen Erkenntnisse. Ein Einbaum oder ein alter Lederschuh kann der größere Schatz sein. Eine Goldmünze verrät weit weniger über die Zeit, in der sie geprägt wurde. Wir stoßen im Wasser auf Funde, die an Land womöglich schon längst verloren wären. Denn im Wasser bleiben viele Dinge über Tausende Jahre erhalten. Bestes Beispiel ist der Starnberger See. Wir wissen aufgrund von Funden, dass hier bereits in der Steinzeit Menschen lebten. Vieles kann spannend sein: Entdecken wir alte Brückenanlagen oder Fischerboote, sehen wir, welche technischen Innovationen zu jener Zeit bereits verwendet wurden. Auch die Ladung eines Boots verrät viel – etwa, womit dort gehandelt wurde. Anders als an Land haben die Menschen früher Schätze in der Regel aber nicht im See vergraben beziehungsweise versenkt. Bislang habe ich in bayerischen Seen noch keine Münze gefunden. Aber am Walchensee gibt es die Sage, dass die Bewohner einst in die Mitte des Sees fuhren und einem Riesenwels eine Goldmünze opferten. Doch selbst wenn dort Münzen wären, wären diese längst im Schlamm versunken. Schatzsucher suchen im See übrigens noch immer nach verschwundenem Nazi-Gold.
Wie groß ist der Anteil des unerforschten Seegrunds im Freistaat?
Der ist sehr hoch. Vermutlich sind noch nicht einmal zehn Prozent des Grunds erforscht. Da kann noch extrem viel unten liegen. Tauchen ist aufwendig und kostspielig.
Sie waren bei Taucher-Expeditionen und Ausgrabungen in über 100 Ländern. Was war ihre spektakulärste Entdeckung?
Das waren wohl die Funde in den überfluteten Höhlensystemen in Mexiko. Da haben wir Opfergaben der Maya und die ältesten Knochen Amerikas gefunden – die waren über 12 000 Jahre alt.
Was war die kurioseste?
Mit dem heutigen Ministerpräsidenten Markus Söder habe ich mich einmal in den 50 Meter tiefen Nürnberger Stadtbrunnen abgeseilt. Ich sollte ein Kreuz reinnageln. Beim Tauchen fand ich etwa ein Gebiss und einen Ehering.
Wir erwischen Sie kurz vor einem Tauchgang auf Mauritius. Was erwartet Sie?
Wir untersuchen ein französisches Schiffswrack, das dort 1744 unterging. Jemand hat deshalb die Liebesgeschichte „Paul et Virginie“ geschrieben. Der Mann musste den Untergang des Schiffs mit seiner Liebsten an Bord von der Insel aus mitansehen. Er starb an gebrochenem Herzen. Diese Geschichte wollen wir mit der Kamera nacherzählen.
Interview: Tobias Lill