Holzkirchen – Regina Killer ist eine aufmerksame Bäuerin. Ihre Kühe dürfen in Erlkam bei Holzkirchen (Kreis Miesbach) immer abwechselnd auf die Weide. Dann tragen sie kleine Glocken. „Wofür eigentlich?“, wollte am Freitag die Vorsitzende Richterin am Landgericht München II, Christiane Karrasch, wissen. „Für den Fall, dass sie ausbrechen. Dann höre ich in der Nacht, wenn sie vorbeirennen“, antwortete die 43-Jährige. Sie und die Gemeinde Holzkirchen sind zum wiederholten Mal Beklagte in einem Zivilverfahren. Klägerin ist ihre Nachbarin in Erlkam.
Der Streit ist nicht neu. Schon der Mann der Nachbarin hat die Bäuerin und die Kommune vor den Kadi gebracht. Das Verfahren ist momentan am Oberlandesgericht (OLG) anhängig. Im Februar 2019 soll in der Sache verhandelt werden. Das hat Richterin Karrasch herausgefunden. Sie ist bestens vorbereitet, hat sich selber so ihre Gedanken zu dem Streit gemacht. Die rein juristische Seite versucht sie erst einmal aus dem erbitterten Streit herauszuhalten.
Anfangs haben beide Seiten noch miteinander geredet. „Wir haben sie gebeten, ob sie nicht bitte die Glocken abnehmen kann. Wir haben zweimal telefoniert“, spricht Anwalt Peter Hartherz für seine Mandantin. „Ich soll es mal mit Ohropax versuchen, hat sie geantwortet“, schaltet sich die Klägerin ein. Sie möchte namentlich nicht genannt werden. „Ein GPS-Sender, steht das Angebot noch?“, fragt die Richterin die Lärmgeplagte. Für die Juristin hört sich die von der Klägerseite vorgeschlagene Ausstattung der Kühe mit digitalen Meldern recht gut an. In Texas gebe es auch Zäune, die ein Signal abgeben würden, wenn die Kühe ausbrechen, fügt die Richterin hinzu. „Es gibt keine Erfahrungswerte“, hält Bäuerin Killer dagegen. Sie ist an diesem Tag mit Mutter und Freund nach München gekommen. „Ich kenne keinen Landwirt, der das im Betrieb hat“, sagt sie. Tatsächlich werden in Deutschland Kühe noch nicht mit GPS-Sendern bestückt. „Schrecken Sie vor der Technik zurück?“, hakt die Richterin nach. „Für mich ist das ein wahnsinniger Aufwand“, wehrt sich die Bäuerin, „die Tiere sind vier Wochen dort, dann sind sie wieder bei mir.“ Das Abnehmen der Glocken sei nicht so leicht wie bei einem kleinen Katzerl.
Erschöpft verfolgt die Klägerin die Verhandlung. 2004 war sie mit ihrem Mann nach Holzkirchen gezogen. 2013 erwarben sie das Haus in idyllischer Lage, richteten es liebevoll und aufwendig her. Die Weide vor ihrem Grundstück war damals weder für Weideviehhaltung, noch für Ackerbau vorgesehen. „Es war immer eine einfache Wiese, wo man Heu macht“, sagte Anwalt Hartherz über die Nachbarschaft. 2014 pachtete Regina Killer die Wiese und ließ fünf bis sieben Jungtiere weiden.
Mit den Kälbern kamen die Probleme. Das Ehepaar konnte nicht mehr schlafen, die Frau litt unter Depressionen. Die ausgebrachte Gülle beeinträchtigte die Eheleute gewaltig. 2016 zog der Ehemann vor Gericht. Im Dezember 2017 scheiterte er zunächst mit seiner Kuhglocken-Klage vor dem Landgericht München II. Grund dafür war vor allem ein vor dem Amtsgericht Miesbach geschlossener Vergleich zwischen ihm und der Bäuerin. Demnach wurde die Wiese zweigeteilt. Nur auf dem Haus abgewandten Bereich durften noch Kühe mit Glocken weiden.
Doch der Vergleich habe den Lärm kaum eingedämmt, erklärte der Anwalt. Die Ehefrau war am Vergleich nicht beteiligt. Das Paar hofft nun mit einer eigenen Klage mehr zu erreichen. Und die Gemeinde? Sie könnte den Pachtvertrag beenden. Dass dann Ruhe eintritt, ist aufgrund anderer Nutzung kaum zu erwarten.