Höhenried – „Wer singt, betet doppelt“ – dieses Zitat des Heiligen Augustinus steht in großen Buchstaben auf der Homepage von Klaus Holzapfel, einem Ingenieur aus dem schwäbischen Ziertheim-Reistingen. Dass in etwa 350 Kirchengemeinden in Deutschland während des Gottesdienstes gesungen wird, ist sein Verdienst – zumindest, was den Gesang mit Orgelbegleitung anbelangt.
Holzapfel ist der Erfinder der „Organola“ – einer mechanischen Spielhilfe, die als Aufsatz auf die Orgel gesetzt wird. Der Apparat ahmt die Finger des Organisten nach – auf Knopfdruck werden die Tasten statt von Menschenhand durch elektronische Impulse von vielen kleinen Metallstiften gedrückt. Eingespielt werden die Lieder von einem Organisten oder als gekauftes Datenpaket, das mit Hilfe eines USB-Sticks weitergegeben wird. Das Gerät erklingt immer dann, wenn der Organist fehlt. „Die Gemeinden sind froh, wieder eine gesangliche Stütze zu haben“, sagt Holzapfel.
Dass es nicht an Gottesdienstbesuchern, sondern an Organisten mangelt, hat Ursula Perkounigg von der Klinikseelsorge Höhenried in der Vergangenheit häufig erlebt. In die Kapelle der Klinik Höhenried in Bernried (Landkreis Weilheim-Schongau) kommen evangelische und katholische Patienten immer sonntags zum Gottesdienst. „Aber dafür brauchen wir natürlich Begleitmusik“, sagt sie.
Nachdem der Organist aus dem Nachbarort, der in der Klinikkapelle spielte, vor zwölf Jahren starb, wurde es schwierig, einen Nachfolger zu finden. „Wir gehören zur Diözese Augsburg“, sagt sie, „dort hat man schließlich auf die Selbstspieleinrichtung von Klaus Holzapfel aufmerksam gemacht.“
Seitdem erklingen Lieder aus dem Gotteslob wie „Großer Gott, wir loben dich“ und „Komm Herr, segne uns, dass wir uns nicht trennen“, ohne dass ein Organist die Tasten drückt. „Manchmal wundern sich die Gottesdienstbesucher und fragen, woher die Musik kommt, wenn niemand an der Orgel sitzt“, sagt Perkounigg und lacht, „aber wenn wir es den Leuten erklären, finden sie es toll.“
Weniger begeistert vom Kirchenorgel-Automat, der je nach Bauart der Orgel zwischen 3000 und 9000 Euro kostet, zeigt sich das Erzbistum München und Freising. Die Anschaffung eines solchen Geräts sei in den dazugehörigen Pfarreien in Oberbayern allerdings generell kein Thema, sagt Ordinariats-Sprecherin Bettina Göbner. „An Organisten mangelt es bei uns eigentlich nicht“, erklärt sie, „doch wenn, würden wir wohl eher von der Anschaffung abraten.“ Laut Göbner würde die Qualität der Kirchenmusik leiden – eine Maschine könne nicht auf die Gemeinde eingehen. „Singen die Kirchenbesucher zum Beispiel etwas langsamer oder dauert das Austeilen der Kommunion länger, richtet sich ein Organist danach“, sagt sie. Ähnlich skeptisch ist Kirchenmusikdirektor Klaus Wedel vom Verband Evangelischer Kirchenmusikerinnen und Kirchenmusiker in Bayern. „Da fehlt der Mensch, der mitatmet“, sagt er auf Anfrage des Evangelischen Pressedienstes.
Ursula Perkounigg freut sich, wenn sie einen Organisten aus der Region für den Gottesdienst in der Klinikkapelle organisieren kann. „Aber immer klappt das nun einmal leider nicht.“ Sie ist froh darüber, den Patienten trotzdem Orgelmusik anbieten zu können – und auch mit der Technik klappe es „in 99 Prozent der Fälle“.
Nicht als Ersatz für Kirchenmusiker, sondern als „Hilfe bei Organistenmangel“ sieht auch der Erfinder selbst die „Organola“. „Ich möchte lediglich Gemeinden helfen, die ohne Orgel singen müssen“, sagt Holzapfel. Kommt trotzdem Kritik, verweist er auf ein anderes Beispiel aus der Kirchengeschichte: Auch bei der Automatisierung der Kirchenglocken hätte es Widerstände gegeben.