Religion lässt die Jugend kalt

von Redaktion

Evangelische Kirche auf der Suche nach Konzepten zur Nachwuchs-Gewinnung

Würzburg – Auf einer Großleinwand im Congress Centrum Würzburg ploppen die Twitter-Antworten der Kirchenparlamentarier auf, die sich auf der Jahrestagung der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) Gedanken um die Gewinnung junger Menschen für den Glauben machen. Was sie an der jungen Generation mit Blick auf die Kirche schätzen, lautet die Frage. „Frische, Fröhlichkeit, Lust am Ausprobieren“, „Neue Ideen“ oder „Chaos, Anarchie und Freiheit“ twittern die oft grauhaarigen Kirchenvertreter. „Ich bin begeistert, wenn wir das richtig umsetzen, toll“, zeigt sich die Moderatorin gestern Morgen begeistert.

Kurz darauf aber bekommen die 120 Kirchenvertreter aus ganz Deutschland eine Bestandsaufnahme zum Interesse der jungen Generation an der Kirche auf den Tisch geknallt, die so manchen ratlos sein lässt. Das Sozialwissenschaftliche Institut der EKD hat in einer Studie die Lebens- und Glaubenswelten junger Menschen untersucht. „Wir haben den Eindruck, dass wir es mit einer postchristlichen Generation zu tun haben“, fast Institutschef Professor Gerhard Wegner zusammen. „Diese Generation lebt ein eigenständiges, glückliches Leben, auch ohne uns als Kirche.“

Zwar gehören noch 61 Prozent der jungen Menschen einer der großen Kirchen an. Nur noch 19 Prozent aber bezeichnen sich als religiös. Gott oder die Kirchengemeinde spielen für rund fünf Prozent noch eine Rolle. Von einer Generation, die fast alle Brücken zur Kirche abgebrochen hat und ihr keine große gesellschaftliche Rolle mehr zutraut, ist im Resümee der Studie die Rede. „Kirche muss sehen, dass die Gruppe der jungen Erwachsenen eigentlich so gut wie nichts mehr von ihr erwartet.“

„Wir können den Menschen nicht mehr sagen, ihr werdet bei uns glücklicher als woanders, das funktioniert nicht mehr“, konstatiert Wegner. „Wenn das so weitergeht, verschwindet die Religion aus der Öffentlichkeit“, ist seine düstere Prophezeiung. Trotzdem müsse die Kirche weiter den Kontakt zur jungen Generation suchen. Gläubige müssten ein Zeugnis abgeben davon, was ein Leben mit Gott bedeute. Aber verstehen junge Menschen noch, was sich hinter solchen Sätzen verbirgt? „Die Fähigkeit, das Christliche zu dechiffrieren, lesen zu können, hat abgenommen“, räumt Wegner ein.

Dabei mangelt es kaum an Konzepten, die Kirche zeitgemäßer zu gestalten. Vorschläge werden in Würzburg präsentiert. Verstärkt müsse die Kirche ihre Botschaft auf digitalem Weg transportieren. Kirche spiele sich nicht alleine sonntags zwischen 10 und 11 Uhr ab, sondern brauche neue Orte der Gemeinschaft und müsse ihre Botschaft in einer verständlichen Sprache transportieren. Jungen Menschen müsse auch mehr Mitgestaltung eingeräumt werden. Etwas Zuversicht gibt den Kirchenverantwortlichen der Münchner Sozialwissenschaftler Ulrich Schneekloth, der sich für die Shell-Jugendstudie ebenfalls mit dem Glauben junger Menschen beschäftigt. Aus seinen Daten liest er heraus, dass zwei Drittel der Jugendlichen es gut finden, dass es die Kirche gibt. „Sie haben kein Abonnement auf Werte, aber Sie haben einen Markenkern, mit dem Sie modern sein können.“ MICHAEL EVERS

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