Ein Segel-Anfänger will Wikinger werden

von Redaktion

Mit dem eigenen Wikingerschiff über das Mittelmeer segeln, davon träumte Stefan Sondermann schon als Kind. Nun will er diesen Wunsch in die Tat umsetzen. Seit Jahren ist er mit dem Bau beschäftigt – segeln muss er allerdings noch lernen.

VON ELENA SIEGL

Teisendorf – Zügig stapft Stefan Sondermann durch den Wald, Zweige knacken unter seinen Wanderschuhen, manchmal stolpert er fast auf dem unebenen Boden. Das Kinn reckt er hoch. Mit zusammengekniffenen Augen blickt er durch runde Brillengläser konzentriert auf die Bäume um ihn. Bis er eine mächtige, gerade gewachsene Eiche findet. „Ein Plankenbaum, ganz klar!“ Er ist auf der Suche nach Holz für sein Wikingerschiff. Der 53-Jährige baut es in einer unscheinbaren Scheune in Teisendorf (Landkreis Berchtesgadener Land).

Sondermann verwirklicht damit einen Traum. „Das musst du bauen“, dachte er, als er mit neun Jahren ein Buch über Schiffbau durchblätterte und auf Gokstad stieß – ein Wikingerschiff aus dem späten 9. Jahrhundert, das bei Ausgrabungen in Norwegen gefunden wurde. Während andere solche spontanen Ideen schnell wieder verwerfen, hält Sondermann immer noch an dem Vorhaben fest. Seit über 17 Jahren sammelt er passendes Holz, vor acht Jahren mietete er die Halle.

Nicht jeden Baum, der ihm gefällt, bekommt er. Mit den Besitzern – seien es Privatleute oder Stadtförster – stehen oft lange Verhandlungen über die hundert Jahre alten Bäume an. „Wenn sie hören, was ich damit vorhabe, verkaufen aber viele“, sagt Sondermann. Vor allem Eichen seien geeignet, stürmische Wellen auszuhalten. Sein Ziel ist allerdings nicht die raue Nordsee, sondern das Mittelmeer. Das warme Klima gefällt ihm besser.

Anders als beim Original ist der Kiel bei Sondermanns Schiff aus Edelstahl und wurde nur mit Holz verkleidet. Das ist der Stabilität geschuldet, erklärt Sondermann. Er steckt sein ganzes Geld in den Bau. Ab und zu arbeitet er im Trockenbau oder als Hausmeister. Nur wenige Monate, dann widmet er seine ganze Zeit wieder dem Schiff. Um Miete zu sparen, wohnt er sogar in der Werkstatt. Ein kleiner Raum ist abgetrennt. Bett, Schrank, Bank und Tisch stehen darin. Und ein alter Ofen, trotzdem ist es kühl und zugig.

Das Gokstadschiff misst 24 Meter. So viel Platz hat Sondermann nicht. Er hat alle Maße auf 19 Meter heruntergerechnet. Zwischen Scheunenwand und Heck, beziehungsweise Bug, bleiben jeweils nur wenige Zentimeter. Wer auf die andere Seite will, muss sich ducken. Unter dem Schiff und an den Wänden stapeln sich Bretter.

Zwischendrin verstecken sich fertige Details. Der Gabelbaum, um das Segel am Mast zu befestigen, die Schiffsfahne und natürlich ein geschnitzter Drachenkopf. „Daran erkennen viele, die vorbeikommen: Ah ja, ein Wikingerschiff“, sagt Sondermann. Je verzierter ein Schiff bei den Wikingern war, umso reicher war sein Besitzer. Wie viel Geld Sondermann bereits für sein Schiff ausgegeben hat, darüber redet er nicht gern. Stattdessen zeigt er, wie er mit einem Zierhobel die Planken verschönert hat. Sondermann macht so viel wie möglich selbst. Obwohl er kein Schreiner ist. Wie man ein Wikingerschiff baut, hat er sich angelesen. Ausgrabungen von Schiffen verfolgt er seit vielen Jahren aufmerksam. Handwerklich ist er immer tätig gewesen. Unter anderem arbeitete er als Maurer, Bautechniker und Architekt.

Auch von einem anderen Hindernis lässt sich Sondermann nicht aufhalten: Er kann nicht segeln. Noch nicht. Auf dem Chiemsee will er es lernen. Auf seinem Schiff ist eigentlich sogar Platz für 14 Ruderer. Sondermann will aber auch einen Motor einbauen. Um nicht auf andere angewiesen zu sein, sondern auch allein unterwegs sein zu können.

Dass es allein allerdings auch beschwerlich werden kann, merkt Sondermann jetzt schon. Sechs Meter lang sind die Planken, die er verbauen möchte. Sie an die richtige Stelle zu heben und in Klinkerbauweise mit anderen zu verbinden – für eine Person fast unmöglich. Sondermann hofft nun auf den ein oder anderen Helfer. Mit der Hand fährt er durch seine kurzen, blond-grauen Haare. „Ich will natürlich fertig werden.“ Er rechnet damit, im kommenden Jahr in See stechen zu können.

Und zwar auf Kreta. Die griechische Insel hat er sich im Sommer angeschaut und einen Ankerplatz gefunden. Das Schiff wird nach der Fertigstellung in Teisendorf auseinandergebaut, die Teile gestrichen und per Sattelschlepper quer durch Europa gefahren. Im Ganzen wäre der Transport zu teuer. Außerdem würde das Schiff gar nicht durch die Hallentür passen.

Auf dem Mittelmeer will er mit dem Wikingerboot zum Beispiel Touren für Touristen anbieten, Hochzeitsfeiern oder Seebestattungen. „Ich habe Tausende Ideen“, sagt er. Mit dem Schiff will er zukünftig Geld verdienen und unabhängig sein. „Mein Ziel ist die Freiheit.“ Auf dem Meer. Wie ein Wikinger.

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