„Wir sind keine Hilfssheriffs“

von Redaktion

Seit knapp fünf Monaten gibt es in Bayern eine Grenzpolizei. In dieser Zeit hat sie direkt an der Grenze nur neun Migranten aufgegriffen. Dennoch ist Leiter Alois Mannichl mit der Bilanz zufrieden. Denn der Einsatzschwerpunkt seiner Kollegen liege nicht bei illegalen Einreisen.

VON KATRIN WOITSCH

Passau – Alois Mannichl saß in seinem langen Berufsleben schon an vielen Schreibtischen in vielen Polizeidirektionen. Er war Kripo-Chef in Niederbayern, Passauer Polizeichef, Polizeidirektor der Bayerischen Polizei. Vor fünf Monaten hat er wieder einen neuen Schreibtisch bekommen – und dazu ein komplett neues Dienstgebäude in Passau. Mit 62 Jahren stellt sich Mannichl noch mal einer Herausforderung: Er ist Leiter der Bayerischen Grenzpolizei, die seit Juli im Einsatz ist. Seitdem ist es auch immer wieder seine Aufgabe, zu erklären, was Bayerns Grenzpolizei genau tut.

„Den Begriff Etikettenschwindel hören wir immer wieder“, sagt er. Zum Beispiel, als vor einigen Tagen bekannt wurde, dass die Grenzpolizei seit Anfang Juli direkt an der Grenze nur neun illegal eingereiste Migranten aufgegriffen und an die für die Grenzkontrollen zuständige Bundespolizei übergeben hat (wir berichteten). Insgesamt sei die Zahl der Aufgriffe höher, betont Mannichl. Im gesamten Grenzraum, also einem 30-Kilometer-Streifen entlang der Grenze, waren es in den ersten drei Monaten 203 illegal eingereiste Personen.

„Die Grenzpolizei macht aber wesentlich mehr als das“, betont Mannichl. Sie kämpfe nicht nur gegen Schleuser, sondern gegen jede Form grenzüberschreitender Kriminalität. „Schwerpunkt ist nach wie vor die Schleierfahndung.“ Der größte Teil der aktuell rund 500 Grenzpolizisten war vor Juli 2018 als Schleierfahnder unterwegs. „Das sind Landespolizisten, die seit 20 Jahren hervorragende Arbeit machen und ein erstklassiges Gespür dafür haben, welche Autos sie kontrollieren“, erklärt Mannichl. Auch ihre Bilanz als Grenzpolizisten könne sich sehen lassen: Von Juli bis Ende September gelangen ihnen 1359 Fahndungstreffer, sie deckten 801 Verkehrsdelikte, 643 Rauschgiftstraftaten, 172 Urkundendelikte und 140 Verstöße gegen das Waffengesetz auf. „Trotzdem wird ihre Arbeit nun oft als fragwürdig bewertet, weil sie vor allem mit den Kontrollen von illegalen Einreisen in Verbindung gebracht werden.“ Es ärgert Mannichl, wenn seine Kollegen als „Hilfssheriffs der Bundespolizei“ bezeichnet werden. Trotzdem sagt er: „Die Einführung der Grenzpolizei war ein wichtiger Schritt.“

Das beweisen ihm schon die täglichen Berichte, die er jeden Morgen auf seinen Schreibtisch bekommt. Sie reichen von Drogenschmuggel über geklaute Luxusautos bis hin zu einem Mann, der versuchte, versteckt in der Unterhose, 30 000 Euro über die Grenze zu bringen. „Für die bayerische Polizei ist es ein großer taktischer Vorteil, dass die Grenzpolizei eingeführt wurde“, sagt Mannichl. Weil es nun einheitliche Standards in allen Dienststellen gebe. „Wir sind technisch hochwertig ausgerüstet worden“, sagt er. Der Staat habe Millionen investiert – in hochmotorisierte Autos, mobile Einsatzzentralen, technische Überprüfungsgeräte und Drohnen. Davon profitiere die Polizei in allen Einsatzlagen, nicht nur bei der Schleierfahndung.

Genauso wichtig sei es aber, dass im Grenzraum mehr uniformierte Beamte im Einsatz sind. Die Dienststellen der Grenzpolizei übernehmen in Absprache mit der Bundespolizei Kontrollen auf den Nebenstrecken. „Je nach Lageeinschätzung“, sagt Mannichl. Das sei auch ein wichtiges Signal an die Bürger. „Das Sicherheitsempfinden im Grenzgebiet hat durch die starke Migration 2015 und 2016 gelitten. Es war wichtig, nicht nur mit zivilen Schleierfahndern präsent zu sein, sondern auch mit uniformierten Kräften.“

Noch wird die Grenzpolizei bei diesen Aufgaben von Beamten der Bereitschaftspolizei unterstützt. Bis 2023 soll die Zahl der Landespolizisten aber auf 1000 aufgestockt werden. Auch dann werde sich aber der Schwerpunkt der Arbeit nicht ändern, sagt Alois Mannichl. Die Landespolizei unterstützt die Bundespolizei weiterhin in Absprache bei der Kontrolle abseits der festen Kontrollstellen auf A3, A93 und A8. „So können wir mehr Straßen in einem größeren Zeitraum abdecken.“ Das sei auch wichtig, um gerüstet zu sein, sollten die Flüchtlingszahlen in den kommenden Jahren wieder dramatisch steigen. Mannichl betont: „2015 ist die Polizei an ihre Grenze gestoßen. Künftig wollen wir besser vorbereitet sein.“

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