München/Rom – Die Nachricht aus Rom lässt aufhorchen: Die Verwaltung des Erzbistums München und Freising, mit rund 8000 Mitarbeitern ein durchaus großes Unternehmen, soll künftig von einem Laien geleitet werden. Und wenn die qualifizierteste Bewerbung von einer Frau kommt, kann sich Kardinal Reinhard Marx auch eine Amtschefin seiner Verwaltung vorstellen.
Das teilte der Kardinal am Sonntagabend zum Start einer Klausurtagung der Ordinariatskonferenz und des Bischofsrates im Gästehaus der Diözese „Casa Santa Maria“ in Rom mit. Marx hatte bereits im Vorfeld seines zehnjährigen Bischofsjubiläums in München vor fast genau einem Jahr gegenüber unserer Zeitung erklärt, dass er die Weichen für die nächsten zehn Jahre neu stellen und mit anderen darüber nachdenken wolle: „Was könnten und müssten wir in den nächsten zehn Jahren anpacken?“ Nach eindringlichen „Tiefenbefragungen“ mit seinen engsten Beratern werden derzeit auf der Klausurtagung in Rom erste Ergebnisse festgezurrt. Und als erster Paukenschlag wurde die Aufspaltung des Generalvikar-Amts verkündet.
„Es geht eindeutig darum, die Machtstrukturen in der Kirche zu ändern“, sagte Bistumssprecher Bernhard Kellner auf Anfrage. Die einseitige Konzentration der Macht auf die Kleriker soll abgebaut werden. Klares Ziel sei, Personen, die fachlich ausgebildet seien, in Verantwortung zu bringen. Und die nicht nur qua Priesterweihe qualifiziert sind.
Bislang ist es in der katholischen Kirche üblich und im Kirchenrecht festgelegt, dass ein Priester als Generalvikar den Bischof bei dessen Leitungsaufgaben unterstützt. Nach dem Ortsbischof also ist er der mächtigste Mann in einer Diözese. Dieses sogenannte „Alter Ego“ (das andere ich) des Bischofs ist im Münchner Erzbistum seit 2009 Peter Beer. Der 52-Jährige hat in seiner Amtszeit als Generalvikar einen wahrhaften „Knochenjob“ ausgeübt. Als 2010 der Missbrauchsskandal auch das Erzbistum München und Freising erschütterte und bekannt wurde, in welch desolatem Zustand sich die Verwaltung befand, stand Beer vor einer Mammutaufgabe: Es gab keine elektronische Aktenführung, wichtige Personalakten waren einfach verschwunden oder vernichtet worden, was auch noch acht Jahre danach die Glaubwürdigkeit des Erzbistums in der Missbrauchsdebatte belastet. Die Finanzverwaltung war bei Weitem nicht auf der Höhe der Zeit, die Verwaltung in unübersichtlicher Form auf zahlreiche Gebäude in der ganzen Stadt verteilt.
Beer krempelte die Verwaltung um, besetzte im Auftrag des Kardinals vier der acht Ressorts mit Frauen (Grundsatzfragen und Strategie; Bauwesen; Bildung; Caritas) baute eine neue Verwaltungszentrale. Teils mit harter Hand, auch gegen erheblichen Widerstand von Mitarbeitern setzte er ein Riesenpensum um. Die Stimmung im Ordinariat war zeitweise alles andere als rosig. Hinzu kommt die Debatte über die Machtanhäufung in Händen der Priester. Auch Papst Franziskus sieht in der Klerikalisierung eine Ursache für die Vertuschung von Missbrauchsfällen in der Kirche.
Hier will Kardinal Marx mit der Aufteilung des Generalvikar-Amtes in einen Verwaltungsleiter und einen Priester, der sich um inhaltliche und theologische Fragen kümmern wird, ein Zeichen setzen, erklärte Kellner. Beer werde den Prozess begleiten. Aber wenn zum 1. Januar 2020 die neuen Personen feststehen, übernimmt er eine neue Aufgabe. Welche, ist unklar. Beobachter sind sich sicher, dass der Priester und Pädagogik-Professor, der schon das Katholische Büro in Bayern geleitet hat, in schwierigen Zeiten Aufsichtsratschef der Verlagsgruppe Weltbild war und als Stiftungsratschef die Katholische Uni Eichstätt durch schwere Wasser begleitet hat, eine Führungsaufgabe erhält.
Als klare Stärkung der Laien in der Kirche wertet Hans Tremmel, Vorsitzender des Diözesanrats der Katholiken, die Entscheidung. Auch wenn er persönlich den Weggang Beers bedauert. Es sei höchste Zeit, dass in der Kirche systemisch die Weichen in eine andere Richtung gestellt werden. Tremmel erkennt ein klares Bemühen, dass man das Motto „gemeinsam Kirche sein“ auch an exponierter Stelle verwirklicht: „Hier wird in München ein klares Zeichen gesetzt, dass man Veränderungen will.“ Jetzt sei der Zeitpunkt gekommen, Reformen vorzunehmen. „Wenn die Kirche zum Alltag übergehen würde, dann bräuchten wir uns nicht wundern, wenn wir in die Bedeutungslosigkeit laufen.“ Wenn man das Prinzip „gemeinsam Kirche sein“ mit den Laien jetzt nicht mit Verstand umsetzt, „sehe ich schwarz für die Kirche“.