München – Was hat König Ludwig II. mit Weihnachten zu tun? Zumindest die Zahl 25, wenngleich der bayerische Thronfolger nicht am ersten Feiertag zur Welt kam, sondern im August 1845. Das Ereignis löste damals eine solche Begeisterung aus, dass der Maler Franz Xaver Nachtmann (1799–1846), als Künstler dem Hause Wittelsbach verbunden, zum Pinsel griff und die Geburt einer religiösen Überhöhung gleich für die Nachwelt festhielt.
In die Kulisse eines gotischen Zimmers mit schwerem, roten Vorhang samt bayerischem Rautenwappen darauf stellt er zwei blond gelockte Engel in hellrosa Gewänder. In ihren Händen halten sie den Neugeborenen von Rosen umkränzt, um ihn in eine prächtige Wiege zu betten.
Ein weißes Rüschenkissen liegt schon bereit, genauso wie eine grüne Decke, die der dritte Engel in der Hand hält, um das Königskind zuzudecken. Zum Raum gehört auch ein Seitenaltar mit Knieschemel und aufgeschlagenem Gebetbuch darauf. Darüber schwebt die Patrona Bavariae, während sich darunter die Heiligen Ludwig IX. und Theresa von Avila, eingedenk der Großeltern Ludwig I. und Therese, befinden.
Der Münchner Allitera-Verlag hat diesem besonderen Werk ein eigenes Buch gewidmet. Herausgegeben hat es der Direktor des Diözesanmuseums München und Freising, Christoph Kürzeder. Dessen Haus gelang es 2016 das „historisch und ikonografisch höchst interessante Bild“ zu erwerben. Ursprünglich befand es sich bis 1918 „im Besitz meiner Familie“, wie der Chef des Hauses Wittelsbach, Herzog Franz von Bayern, im Grußwort schreibt. In der Zeit der Weimarer Republik sei es in den privaten Kunsthandel gelangt und lange Zeit verschollen geblieben. Bis es nun eben Eigentum des Diözesanmuseums wurde.
Rund um diese Darstellung haben nun eine Reihe von Kunst- und Zeitgeschichtlern höchst interessante und auch amüsante Erkenntnisse auf über 170 Seiten zusammengetragen. Den Himmelsboten ist ebenso ein Kapitel gewidmet wie der Biografie des Malers, dem Phänomen der Prunkwiegen und dem Märchenkönig selbst.
Die Huldigung, die diesem schon anlässlich seiner Geburt widerfährt, mag man kaum glauben. Das ganze Szenario könnte in Neuschwanstein stattgefunden haben, dabei sollte dieses Schloss erst Jahre später gebaut werden.
Der aus dem niederbayerischen Bodenmais gebürtige Nachtmann, dem der Titel „Hofmaler“ zeitlebens verwehrt blieb, hatte eine Ausbildung als Porzellanmaler in der Manufaktur Nymphenburg genossen. Blumen waren sein Spezialgebiet. Nach dem Urteil der Fachwelt zählten seine Arbeiten „zu den schönsten ihrer Art“.
Weil eine Familie vom Nymphenburger Gehalt nicht zu ernähren war, machte er sich selbstständig. Doch der filigranen Detailversessenheit blieb er treu, auch wenn er nun mit Öl- und Aquarellfarben arbeitete. Das Königshaus engagierte ihn immer wieder, etwa für Raumansichten der Münchner Residenz, des Schlosses Tegernsee und des Leuchtenberg-Palais.
Mit dem höfischen Interieur war Nachtmann also bestens vertraut und konnte die Fantasie für sein Bild entsprechend walten lassen. Natürlich durften zarte Blüten nicht fehlen; die religiöse Symbolik kannte er ebenfalls. So integrierte er die Jachin-Säule aus dem 1. Buch der Könige im Alten Testament in das Geschehen. Sie steht für die Worte „Er wird festigen“, womit die Sicherung der Dynastie durch den Thronfolger verdeutlicht wird.
Sehr fromm mag das erscheinen, Ludwig II. erfüllte diese Frömmigkeit nur in Maßen. Phasenweise kam bei ihm religiöse Skepsis durch, dann wieder verklärter Glaube, wie er in Richard Wagners „Lohengrin“ oder „Parsifal“ zu finden ist.
Der kleine Ludwig wünschte sich übrigens zu Weihnachten einmal neben einer Lokomotive mit Dampfbetrieb und einem Linienschiff „Bilder aus der Allerheiligenkirche“ sowie ein Gebetbuch mit einem Kreuz aus Lapislazuli darauf. Dass er sich bisweilen als Klosterfrau kostümierte, scheine weder eine frühe „Geschlechtsverirrung“ noch auf seinen Berufswunsch hinzudeuten. Denn der war nämlich „Schiffskapitän“, wie zu lesen ist.
Engel betten das Kind in eine Wiege
Künstler begann als Porzellanmaler
Ludwig kostümierte sich als Klosterfrau