MASSGESCHNEIDERT

Advent & Gefolge

von Redaktion

Freut sich der Maßschneider eigentlich schon auf Weihnachten? Nur mäßig: Wenn schon weder der Nikolaus noch der Krampus zu Besuch kommt, dann wird auch das Christkind kaum zum Fenster hereinschauen, ob man den Christbaum schon aufgeputzt und die Geschenke für die Lieben einpapierlt sind. Oder freut er sich wenigstens auf Christstollen, Platzerl, Punsch und Weihnachtsgans? Um Gottes Willen, da würde die Personenwaage im Bad total ausrasten.

Hoffentlich hat man ihm keine nadelnde Fichte angedreht, die ihn mit Besen und Schaufel auf die Knie zwingt. Was er sich an Geschenken erhofft? Auf alle Fälle keine solchen Nichtigkeiten wie eine lange Unterhose! Einen Jahreskalender mit 365 leeren Seiten erwartet er schon eher, um die schönen und widerwärtigen Tage dieses 19. Jahres im 21. Jahrhundert einzutragen.

Was wird wohl dieses neue Jahr an Überraschungen und Alltäglichem bereithalten? Manche Nächte wird er mit einem Vaterunser und „gegrüßet seist du Maria“ einleiten, auf alle Fälle mit dem Zusatz für seine verstorbenen Angehörigen „Oh Herr gib ihnen die ewige Ruhe und das ewige Licht leuchte ihnen, Herr lass sie ruhen in Frieden, Amen.“ Da schläft man gleich viel beruhigter ein, ob nun Weihnachten vor der Tür steht – oder auch nicht.

Christbaumständer, Spitz, Kugeln und Lametta, auch ein Kripperl samt Figuren warten auf dem Speicher auf ein Wiedersehen. Und seine alte Mundharmonika auf die altvertraute Melodie „Stille Nacht, heilige Nacht“ zum Begleiten der Stimmen der verbliebenen Familienmitglieder.

Und dann würde das Auspapierln der Geschenke beginnen, Papierberge würden sich auftürmen, Freude und heruntergespielte Enttäuschung die Gaben begleiten. Der Sohn hat wieder wie jedes Jahr zum Abendessen Tartar verlangt und uns schmeckt es ja auch nicht schlecht. Die Kerzen sind gelöscht (Brandgefahr), wenn die Akteure um Mitternacht im Bett verschwinden. Schee war er wieder, der Heilige Abend, aber gwoant hat koana – warum aa?

Der Maßschneider erinnert sich noch, wie in seiner Bubenzeit ein Rodelschlitten unterm Christbaum gestanden ist, in einem anderen Jahr ein Tretroller (Radlrutsch) und wieder an einem anderen Weihnachtsfest von Vetter Max abgelegte Eschenski, mit denen er auf der Theresienwiese erste Schwünge und Badwanndl in den Schnee gezeichnet hat und auf einer selbst gebauten Schanze stolze drei Meter gesprungen war – Skiheil!

Am ersten Weihnachtsfeiertag oben auf dem Geländer zur Wiesn saßen die Mädchen, kicherten und tuschelten. Als er nach einem Sprung gestürzt war, war er für einige Augenblicke benommen liegen geblieben. Auch die Neumeier Leni war heruntergelaufen und sagte besorgt: „ Du bist aber oana!“ Er fühlte, dass es eine versteckte Liebeserklärung war und sein Herz fing laut zu klopfen an.

Es ist das schönste nachträgliche Weihnachtsgeschenk gewesen.

An dieser Stelle schreibt unser Turmschreiber

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