Das berühmteste Zirkuszelt Europas

von Redaktion

Er ist Eventarena, Konzertbühne und das Zuhause einer Zirkus-Dynastie: Vor hundert Jahren baute Carl Krone in München seinen Festbau. Am ersten Weihnachtsfeiertag startet der Circus Krone dort in seine 100. Winterspielzeit.

VON KATHRIN BRACK

Unterm hölzernen Zeltdach schwebt der Geruch nach frischer Farbe und Sägemehl. Der rote Teppich liegt im Foyer zum Ausrollen bereit, Handwerker wuseln durch die Gänge, und hinter dicken, samtenen Vorhängen steht Zirkusdirektorin Jana Lacey-Krone, 39, Künstlername Jana Mandana, und dirigiert ihre Pferde ruhig durch die Manege. Kurz vor der Premiere des ersten Winterprogramms am 25. Dezember herrscht im Krone-Bau an der Marsstraße rege Betriebsamkeit. Der Stammsitz des Circus Krone macht sich fein für sein großes Jubiläum: Hundert Jahre ist es her, dass Zirkusgründer Carl Krone mitten in München ein Quartier für die Wintermonate gebaut hat.

Von Dezember bis März ist „Krone City“ mit dem inzwischen dritten Festbau mit 3000 Sitzplätzen das Zuhause des größten Tournee-Zirkus der Welt. Im Sommer wird der Bau für Shows und Konzerte genutzt. Legenden wie die Beatles und die Rolling Stones haben hier gespielt, Muhammad Ali schlug 1976 im Krone-Bau sein Trainingscamp auf, und Weltstars wie Michael Jackson haben auf den roten Klappsesseln Platz genommen.

In einem dieser Sessel in der zweiten Reihe sitzt Claus Lehnert, 82, und schaut seiner Chefin beim Training zu. Lehnert, ein ehemaliger Akrobat, ist seit 1966 Teil der Krone-Familie, im Haus nennen sie ihn den „Bürgermeister von Krone City“. Offiziell ist der dienstälteste Krone-Mitarbeiter Betriebsinspektor: Im Sommer, wenn der weiß-blaue Zirkustross durch Deutschland reist, legt er fest, wo Kasse, Zelt und Wägen stehen sollen. Im Winter geht er Jana Lacey-Krone mit den Pferden zur Hand.

Claus Lehnert arbeitet gern mit Tieren, obwohl er dabei nicht unfallfrei geblieben ist. „Einmal ist uns bei der Premiere ein Schimpanse abgehauen und aufs Drahtseil geklettert“, erzählt er. „Der Dompteur wollte hinterher, doch der Affe ist auf der anderen Seite runter.“ Als Lehnert den Schimpansen zurückbringen wollte, biss der ihn in die Hand. „In der Pettenkofer Klinik war ich der Mann, der vom Affen gebissen wurde.“ Die Zirkusleute sind kleine Berühmtheiten. Lehnert trat vor Queen Elizabeth auf, traf Nikita Chruschtschow. Die Leute standen Schlange für Autogramme. „Früher“, sagt er, „war man als Artist noch wer.“

Jana Lacey-Krone ist im Scheinwerferlicht aufgewachsen, ihren ersten Auftritt im Circus Krone hatte sie mit drei Jahren. „Meine Eltern waren sehr eng mit Christel Sembach-Krone befreundet“, sagt die 39-Jährige. „Sie war für meine Schwester Nina und mich wie Mama und Papa, wir nannten sie Mapa.“ Früh entdeckte die Chefin das Talent der grazilen Münchnerin und bildete sie zur Tiertrainerin aus.

2001 adoptierte die kinderlose Zirkuschefin die damals 22-Jährige – und machte sie zu ihrer Erbin. Als Christel Sembach-Krone im Juni 2017 starb, trat Jana Lacey-Krone, die mit dem Star-Dompteur Martin Lacey Jr. verheiratet ist und einen zehnjährigen Sohn hat, ihre Nachfolge an.

Verbunden hat die Frauen die Liebe zu den Tieren. „Sie sind ein Teil der Familie und gehören für mich zum Zirkus“, sagt Jana Lacey-Krone. Für ihre Arbeit mit den Tieren – bei Krone leben unter anderem fünf Elefanten, ein Nashorn und 36 Pferde – werden sie und der Zirkus immer wieder kritisiert.

Sie scheut die Auseinandersetzung nicht. „Aber als die Demos damals anfingen, haben wir das nicht wirklich ernst genommen“, sagt sie. Tierschützern, die vor dem Krone-Bau demonstrierten, brachten die Zirkusleute Glühwein gegen die Kälte. „Dann wurde der Protest größer und lauter. Ich akzeptiere, wenn Menschen nicht in einen Zirkus mit Tieren gehen wollen.“ Das Unternehmen begegnet Vorwürfen mit größtmöglicher Transparenz und Aufklärung. „Beschimpfen lassen müssen wir uns nicht. Wir tun alles für das Wohl unserer Tiere.“

Für Jana Lacey-Krone überwiegen die positiven Erlebnisse in München. Weil sie hier auf dem Hof des Krone-Baus ihren Mann kennenlernte. Und wegen des Publikums: „Das sind echte Kenner. Das Schlimme ist nur: Die Besucher in München merken auch, wenn etwas schlecht ist“, sagt sie und lacht. So gern sie tourt: Heimkommen heißt für sie, nach München zu kommen.

Das Winterquartier hat inzwischen einige Jahre auf dem Buckel. „Viel darf man hier nicht verändern“, sagt Bobby Streicher. Der 62-jährige Österreicher ist seit zwölf Jahren der Technische Leiter bei Krone. Er betreut den Fuhrpark und ist für die Bauten zuständig. Nicht immer der einfachste Job: Vor Kurzem haben sie die alte Dampfheizung gegen eine moderne ausgetauscht. „Es gibt kaum Pläne von den Leitungen und Rohren“, sagt er. Außerdem stehen Villa und Bau unter Bestandsschutz.

Mit 40 hat Streicher als Akrobat aufgehört, seine Ausbildung kommt ihm jetzt zugute: „Zwei Artistinnen aus Kuba haben vor ein paar Jahren auf dem Flug Requisiten verloren“, erzählt er. „Also haben wir die an Heiligabend in der Werkstatt nachgebaut.“ Obwohl er dort die meiste Zeit verbringt und selbst nicht mehr auftritt, ist sein Lieblingsort im Krone-Bau nach wie vor die Manege. „Schön is’ schon da herinnen. Wir haben noch Sägemehl in der Manege. Dieser Geruch!“

Auch Jana Lacey-Krone würde gern wieder mehr Zeit in der Manege verbringen. Oft sitzt sie an ihrem Schreibtisch in der Krone-Villa, einem prächtigen Bau mit hohen Decken und viel Stuck. Die junge Chefin macht sich behutsam an den Wandel. „Ich bin sehr traditionsbewusst“, sagt sie, „und habe die Zukunft im Visier. Ich möchte, dass der Circus Krone auch die nächsten 100 Jahre bestehen kann.“

Die drei Winterprogramme zum Jubiläum sind die ersten, die ihre Handschrift tragen. Sie sollen die Geschichte der Zirkuskunst erzählen, modern, aber mit Blick auf die lange Tradition. „Am Ende“, sagt Jana Lacey-Krone, „muss es dem Publikum gefallen.“ Auch beim Jubiläumsprogramm gilt das Motto des Hauses: „Eure Gunst, unser Streben.“

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