UNTER MEINEM WEISS-BLAUEN HIMMEL

Dem Vergangenen gedenken, das Neue willkommen heißen

von Redaktion

VON CAROLIN REIBER

Noch leuchten die Christbäume in Gärten und in Straßen. Im Wohnzimmer hat weihnachtlicher Glanz seine Spuren hinterlassen, Weihnachtspost liegt auf dem Tisch, auf dem Teppich findet sich noch ein Engelshaar. Doch das neue Jahr steht schon vor der Tür und wird mit jener Spannung erwartet, die sich eigentlich nicht so ganz genau definieren lässt. 365 Tage, 8700 Stunden, 525 600 Minuten, sie liegen am 31. Dezember wie ein unbeschriebenes Blatt vor uns. Was wird uns 2019 erwarten? Gedanken, so prickelnd wie der Sekt, mit dem wir um Mitternacht anstoßen.

Jede Familie hat ihre eigenen Traditionen, sich die Zeit bis zum großen Countdown zu vertreiben. Beim Bleigießen betrachten wir in fröhlicher Runde seltsame Gebilde, die wir aus dem Topf fischen. Ist es ein Schiff, das uns in ferne Gefilde bringt? Oder vielleicht ein Engel, den wir als gutes Omen deuten? Es ist die Zeit der großen Jahreshoroskope in Illustrierten, der professionellen Sternegucker.

Pünktlich wird auch Nostradamus wieder aus der Schublade geholt. Schon vor seinem Tod 1566 führte er die Riege berühmter Hellseher mit düsteren Prophezeiungen an. Manchmal, wenn man die Nachrichten sieht, ist man sogar geneigt, ihm zu glauben.

Ich persönlich orientiere mich dann doch lieber an Leo Tolstoi: „Nichts ist wahrem Glück so im Wege wie die Gewohnheit, etwas über die Zukunft wissen zu wollen“, schrieb der große Dichter in sein Tagebuch. Recht hatte er. Erich Kästner sah den Jahreswechsel ganz pragmatisch; „Wird’s besser, wird’s schlechter? Seien wir ehrlich: Leben ist immer lebensgefährlich.“ Auch da kann man nicht widersprechen.

Egal, ob wir auf einem Silvesterball ins neue Jahr hineintanzen oder gemütlich daheim feiern: Neues, es ist immer mit Vergangenem verknüpft. Wohl niemand, der das alte Jahr nicht noch einmal Revue passieren lässt. Haben wir die vergangenen zwölf Monate gut genutzt? So mancher Weggefährte hat sich vielleicht verabschiedet und eine große Lücke hinterlassen. Wer sich 2018 über eine gute Gesundheit freuen konnte, zählt bereits zu den Glücklichen, egal, ob es so manchen Stolperstein gab. Eine Tatsache, die man leider immer wieder zu schnell vergisst. Im Hier und Jetzt zu leben, jeden Tag als Geschenk zu betrachten – ach, wär‘s doch nicht so schwer, gute Vorsätze umzusetzen!

Übrigens, Freunde aus dem Norden, die Silvester bei mir zu Gast sein werden, finden: „In Bayern ist der Jahresausklang einfach am stimmungsvollsten.“ Mein Vorschlag: Nach einem Spaziergang unter sternenklarem Himmel in eine Kirche gehen, die auf dem Weg liegt, und von Herzen Danke für das alte Jahr sagen und das neue willkommen heißen.

Wunderbar finde ich das „Rezept“ von Katharina Elisabeth Goethe, der Mutter von Johann Wolfgang von Goethe: „Man nehme zwölf Monate, putze sie sauber von Neid, Bitterkeit und Geiz, zerlege sie in 30 oder 31 Teile, sodass der Vorrat für ein Jahr reicht. Jeder Tag wird dann einzeln angerichtet aus einem Teil Arbeit, zwei Teilen Frohsinn und Humor. Man füge drei Esslöffel Optimismus hinzu, ein Körnchen Ironie, eine Prise Takt. Dann wird die Masse mit viel Liebe übergossen. Das fertige Gericht schmücke man mit einem Sträußchen kleiner Aufmerksamkeiten und serviere es täglich mit Heiterkeit.“ Eine bessere Anleitung für 2019 gibt es meiner Meinung nach nicht.

Die erste Portion wird natürlich gleich am 1. Januar verteilt: Auch fremden Menschen beim Spaziergang fröhlich ein „gutes neues Jahr“ entgegenrufen, das ich auch Ihnen, liebe Leser, wünsche!

In diesem Sinn –

herzlich

Ihre Carolin

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