München – Am Abend der Bundestagswahl 2017 tritt Angela Burglechner dann doch noch einmal aus dem Schatten – wenn auch unfreiwillig. Als in der Tagesschau die Reaktionen auf das desaströse Wahlergebnis der Union gezeigt werden, hat sie der Kameramann in der Münchner CSU-Landeszentrale in der Linse. Auf den Bildschirmen in ganz Deutschland schlägt Burglechner die Hände vors Gesicht und presst ein „Um Gottes Willen“ hervor. Sie wird zum Gesicht für das Entsetzen über das Wahlergebnis – und steht zum Ende einer langen Karriere im Parteiapparat plötzlich im Rampenlicht. Dabei hat sie sich davor immer gedrückt.
„Ich stand immer im Schatten, und das ist auch gut so“, sagt Angela Burglechner, 65, kurz nach ihrem letzten Arbeitstag im Finanzministerium. Das Büro hat sie geräumt, die Trilogie in Blau der Künstlerin Valeska abgehängt. „Ein komisches Gefühl.“ Mehr als vier Jahrzehnte hat sie der Partei gedient. In der Landeszentrale unter Strauß, Stoiber, Wiesheu und Tandler. Als graue Eminenz unter Erwin Huber in der Staatskanzlei. Und nach dessen Sturz unter Söder und Füracker im Finanzministerium. Das Motto der Sekretärin und späteren Büroleiterin war immer: „Ich gehe nach dem Chef aus dem Haus.“ Unter Arbeitstieren wie Edmund Stoiber wird so ein Credo zur Herausforderung. Denn der eilte in seiner Zeit als Generalsekretär gerne auch nach quälend langen Abendterminen noch einmal in die Landesleitung, um zu planen, wie am nächsten Tag der Ruf des „blonden Fallbeils“ aufrecht erhalten werden kann. Aber Angela Burglechner hatte trotz aller Überstunden Spaß an der Arbeit. Sie hat nie geheiratet. „Ich habe mich für den Beruf entschieden.“ Wegbegleiter sagen, ihre große Liebe galt ausschließlich der CSU.
Der ungebrochene Arbeitseifer der Frau aus Neufahrn im Landkreis Freising ist die eine Seite, die ihren Parteikollegen in Erinnerung bleiben wird. Ihr loses Mundwerk, wie sie es selbst sagt, die andere. Als Franz Josef Strauß sie wegen ihrer damals feuerroten Haare einst im Scherz als Hexe bezeichnete, konterte sie: „Wäre ich keine Hexe, wäre ich nicht bei der CSU.“ Und als Stoiber 1995 über einen Kabinettsposten für Erwin Huber nachdachte, ist der Burglechner-Satz überliefert: „Ein jedes Ministerium nehmen der Erwin und ich nicht.“
Zu Erwin Huber war das Verhältnis ohnehin ein besonderes. Sie regelte seinen Tagesablauf, vertröstete seine Anrufer und war auch nicht verlegen, ihrem Chef politische Lektionen zu erteilen. „Wir müssen nicht beliebt sein, sondern respektiert werden.“ Das war auch ihr ganz persönliches Lebensmotto. Der Ex-Parteichef sagt über Angela „Anschi“ Burglechner: „Sie war das Paradebeispiel eines bayerischen Weibsbildes: kämpferisch, standfest, loyal.“ Wenn er öffentlich angegangen wurde, habe sie sich darüber mehr aufgeregt, als er selbst. „Da konnte sie Feuer und Schwefel spucken“, sagt Huber und lacht. „Sie ist ein unverfälschter Mensch. Wen sie nicht mag, lässt sie das auch spüren.“ Mit Erwin Huber erlitt Burglechner auch den bittersten Moment ihrer Berufslaufbahn: die herbe Niederlage bei der Landtagswahl 2008, die Huber den Parteivorsitz kosten sollte. Und damit auch für Burglechner das Ende der Zusammenarbeit bedeutete – nach 21 Jahren und drei Monaten, der Hälfte ihres gesamten Arbeitslebens.
Jetzt, nach ihrer aktiven Zeit, blickt sie nicht ohne Sorge auf die Zukunft ihrer CSU. Aber trotz aller Zweifel ist sie sicher: „Es werden auch wieder bessere Zeiten kommen.“ Dann, wenn in der Partei wieder weniger die Selbstdarsteller im Vordergrund stehen, wie sie sagt.
Angela Burglechner jedenfalls ist jetzt wieder dort, wo sie sich wohl fühlt: zurück im Schatten. Sie will Spanisch und Italienisch lernen, ihre Schafkopf-Runde intensivieren. Schließlich fällt das mittlerweile ja auch unter politische Bildung. Aber sie wäre nicht Angela Burglechner, wenn sie nicht auch noch Pläne für ihre Partei hätte. Sie ist Teil eines Freundeskreises ehemaliger Mitglieder der Jungen Union, mit dem sie die nächste Generation für die CSU formen und fördern will. Eine Generation, die dafür sorgen soll, dass Angela Burglechner künftig am Wahlabend nicht mehr die Hände vors Gesicht schlagen muss.