Sea-Eye rettet 17 Menschen

von Redaktion

Sechs Monate lang gab es keine Nachrichten mehr aus dem Mittelmeer. Nun ist die Regensburger Hilfsorganisation Sea-Eye wieder mit einem Rettungsschiff vor der Küste Libyens unterwegs – und hat 17 Menschen gerettet. Und wieder darf das Schiff in keinem europäischen Hafen anlegen.

VON KATRIN WOITSCH

Regensburg – Die 17 Menschen sitzen eng zusammengedrängt auf einem wackligen Holzboot. Seit Mitternacht treiben sie orientierungslos auf dem Mittelmeer. Alle sind erschöpft und frieren, einige sind in einem schlechten gesundheitlichen Zustand. Ein paar Stunden, nachdem die Sonne aufgegangen ist, sehen sie ein großes Schiff mit deutscher Flagge, das auf sie zusteuert. „Ich war so glücklich in diesem Moment“, sagt der 17-jährige Alphayorb später, als er an Bord der „Professor Albrecht Penck“ sitzt.

Die Crew des Regensburger Schiffes sah keine andere Alternative, als die Menschen an Bord zu nehmen. Der gesundheitliche Zustand von zwei Personen war kritisch, berichtet der Allgäuer Arzt Jan Ribbeck, der den Rettungseinsatz geleitet hat. Die Stimmung an Bord des überbesetzten Bootes sei zunehmend unruhiger geworden. Hilfe war nicht in Sicht. Die Seenotrettungsleitstellen in Rom und Bremen verwiesen die „Professor Albrecht Penck“ beide an die libysche Küstenwache. Die traf erst nach vier Stunden am Einsatzort ein. Die geretteten Menschen wurden inzwischen an Bord der „Professor Albrecht Penck“ medizinisch versorgt.

Dort berichtete Alphayorb der Crew, dass er aus Sierra Leone stammt. Wie lange seine Flucht schon dauert, könne er nicht mehr sagen. Die letzten zwei Monate hat er in einem Gefängnis in Libyen verbracht. Er berichtet wie die anderen Geflüchteten von Folter, Menschenhandel und willkürlicher Gewalt. „Warum ich verhaftet wurde, weiß ich nicht“, sagt er. Wie groß das Risiko ist, im Mittelmeer zu ertrinken, wusste er, als er auf das klapprige Holzboot stieg. „Aber das Risiko in Libyen zu sterben war genauso groß“, sagt er und fügt hinzu. „Ich bin zu jung, um die Hoffnung aufzugeben.“

Doch wie die anderen 16 Menschen aus sieben afrikanischen Staaten ist für ihn die Flucht nach Europa noch nicht zu Ende. Denn die „Professor Albrecht Penck“ darf aktuell in keinem europäischen Hafen anlegen. „Die Übergabe der Geretteten an die libysche Küstenwache haben wir klar abgelehnt“, berichtet Ribbeck weiter. „Sie wäre nach der Genfer Flüchtlingskonvention ein Verstoß gegen internationales Recht.“ Die Hilfsorganisation hatte darauf gehofft, auf Deutschlands Unterstützung zählen zu können, nachdem sie jetzt unter deutscher Flagge fährt. „Wir sind irritiert und enttäuscht, dass die Seenotleitstelle in Bremen uns schlicht anwies, den Aufforderungen der Libyer zu folgen.“ Das Auswärtige Amt ist eingeschaltet und bemüht sich inzwischen um eine Lösung.

Die Rettungsorganisation steuerte gestern auf der Suche nach einem sicheren Hafen Malta an, bekam von dort jedoch ein Verbot, sich dem Hafen auf mehr als 100 Seemeilen zu nähern. Die Berliner Sea-Watch, die ebenfalls 32 gerettete Menschen an Bord hat, hat dasselbe Problem. „Es ist Zeit für die deutsche Regierung, Verantwortung zu übernehmen: Zwei Schiffe brauchen einen sicheren Hafen“, twitterte Sea-Watch.

Sea-Eye-Sprecher Gorden Isler sagte: „Dieser politische Eiertanz um insgesamt 49 gerettete Menschen auf zwei Schiffen ist beschämend. Dass Libyen und Malta uns Anweisungen gegeben haben, die gegen internationales Recht verstoßen, indem sie das Seerechtsübereinkommen und die Genfer Flüchtlingskonventionen konterkarieren, ist ein Skandal. So sollen die Menschen allein den Libyern überlassen werden – was auch immer das für die Betroffenen bedeutet.“

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